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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Faser an ihr, genauso wie ihr auch!« Jetzt schrie der Kanonikus beinahe.
    »Schon gar nicht jetzt, wo unsere Sache endlich eine so günstige Wendung zu nehmen verspricht.« Ungerührt nahm der Apotheker den Faden wieder auf. »Mit Unterstützung der Familie Salimbeni könnte unser Traum endlich Wirklichkeit werden. Es geht nicht nur um uns, Freunde, vergesst das nicht – es geht schließlich um ganz Siena! Dabei darf niemand uns hindern, erst recht nicht eine wie sie.«
    »Savo hat recht!« Enea war aufgesprungen. »Sie muss die Stadt verlassen, so schnell wie möglich. Am besten sofort!«
    »Und wie willst du sie dazu bringen? Kannst du mir das auch verraten? Denn freiwillig wird sie das ja wohl kaum tun«, sagte Savo. »Wenn sie ausgerechnet hier in Siena aufgetaucht ist, dann kann es kein Zufall sein, sondern ist eher von langer Hand geplant. Sie verfolgt eine Absicht, einen ganz bestimmten Zweck. Habt ihr daran schon einmal gedacht?«
    »Das ist es! Sie ist nur gekommen, um uns zu erpressen. Sie wird freilich kaum reden, schon allein, um sich nicht selber in Gefahr zu bringen, aber nur, wenn wir bezahlen, sehr viel bezahlen …« Eneas Hand fuhr über sein Gesicht, als könne er mit ihr das Unfassbare wegwischen. »Sie kann mit uns machen, was sie will«, sagte er dumpf. »Uns melken und ausquetschen – bis zum Tag des Jüngsten Gerichts. Und wenn wir uns weigern, dann wird sie …«
    »Dazu dürfen wir es nicht kommen lassen.« Savos Stimme war kalt geworden. »Nicht, solange noch ein Tropfen Blut in unseren Adern fließt.«
    »Soll das heißen, du willst sie… Ihr wollt sie doch nicht etwa…« Der Blick des Kanonikus flackerte von einem zum anderen. Dann glitt er zu dem verschlossenen Schrank in der Ecke, den Savo bisher nur ein einziges Mal in ihrem Beisein geöffnet hatte. Allein der Gedanke ließ ihn schaudern. »Aber das wäre ja die schlimmste aller Todsünden!«
    »Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren«, sagte der Apotheker. Sein Gesichtsausdruck hatte bei Domenicos letzten Worten etwas Verächtliches bekommen. Manchmal hasste er diesen weichlichen Körper, der sich nur verlieren und verströmen wollte, anstatt straff und männlich zu sein – und auch so zu handeln. »Das ist jetzt das Allerwichtigste. Wir warten ab, bleiben in Deckung, beobach ten, bis der richtige Augenblick gekommen ist, um zuzuschlagen.«
    »Aber wenn sie uns zuvorkommt? Wenn sie den Spieß umdreht, was dann? Wenn sie aufsteht und dem Rektor und der ganzen Stadt sagt …« Der Domherr schien unfähig weiterzureden, so ungeheuerlich erschien ihm allein die Vorstellung. Seine fleischigen Lippen sackten herab.
    »Wir müssen eben schneller sein«, kam es von Savo. »Klüger. Und um vieles gewitzter. Aus dem Hinterhalt werden wir sie in die Knie zwingen. Das wäre doch die beste Lösung, meint ihr nicht auch?«
    »Aber wie sollen wir das anstellen?« Jetzt ruhten die Augen der beiden anderen Männer auf dem Apotheker.
    »Dazu brauchen wir Zeit und Gelassenheit.« Seine schmale, gepflegte Hand fuhr langsam auf und ab. »Zuerst müssen wir ausführliche Erkundigungen einholen und alles ganz genau abwägen. Aber vielleicht hab ich da sogar schon eine ganz brauchbare Idee.«
    Und dann begann er zu reden.

    ❦

    Er kam nicht allein, wie sie es ausdrücklich in ihrem Brief von ihm gefordert hatten, sondern in der Begleitung des Jungen, der seit seiner flammenden Predigt in Lucignano nicht mehr von seiner Seite gewichen war. Natürlich erkannte er am Stirnrunzeln des Mannes, der ihn über die breite Treppe nach oben führte, dass ihnen das ganz und gar nicht passte, und bittere Genugtuung stieg in ihm empor.
    Im letzten Jahr hatten sie ihn schmachvoll davongejagt. Jetzt würde er sie teuer dafür bezahlen lassen.
    Als sie den Saal des Friedens betraten, stockte ihm beinahe der Atem. Nicht wegen des langen Eichentisches, an dem sie alle versammelt waren, jene Mitglieder des Zwölferrates, die quasi über Nacht die Macht in Siena an sich gerissen hatten, sondern wegen der prächtigen Gemälde, die hier die Wände bedeckten. Tagelang hätte man sie ansehen und doch immer wieder etwas Neues entdecken können. Für ein paar Augenblicke überließ er sich ganz dem Zauber dieser Darstellungen, dann kehrte sein alter Groll zurück. »Die gute und die schlechte Regierung«, so nannten sie die beiden Bilder voller Stolz, und er hatte unterwegs so manchen davon schwärmen hören.
    Doch was sollte das schon heißen?
    Weltlicher Tand, eitel, hohl,

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