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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Richtung.
    »Woher wisst Ihr davon?«
    »Die halbe Stadt spricht von nichts anderem.« Lupos Mund war wieder hart geworden. »Aber immer noch besser, sie zerreißen sich die Mäuler über einen tedesco als über eine treulose Gattin, meint Ihr nicht auch?«
    »Geh nach drüben, Mario«, sagte Bartolo, »und hol mir aus der Küche einen Krug verdünnten Wein! Ich bin sehr, sehr durstig.«
    Der Junge gehorchte sofort.
    »Der muss aber noch tüchtig wachsen, bevor einmal ein richtiger Kerl aus ihm wird«, sagte di Cecco. »Wollt Ihr aus ihm den Enkel zimmern, den Eure Älteste Euch bislang verweigert hat?«
    Bartolo erhob sich langsam.
    »In meinem Laden dulde ich keine Anzüglichkeiten über eine meiner Töchter«, sagte er langsam. »Ihr habt kein Recht und keinerlei Anlass, derart über Gemma zu reden.«
    »Vielleicht müsstet Ihr Eure Meinung ändern, denn es gibt möglicherweise etwas, das Ihr noch nicht wisst.«
    »Ich bin Kaufmann und halte mich an Zahlen und Tatsachen«, sagte Bartolo. »Falls Ihr etwas Konkretes zu sagen habt, dann tut es. Falls nicht, dann haltet besser den Mund.«
    Schweigend standen sie sich eine Weile gegenüber.
    »Weshalb seid Ihr wirklich gekommen, Messer di Cecco?«, sagte Bartolo förmlich. »Was wollt Ihr?«
    »Etwas zurück, das mir gehört, nicht mehr und nicht weniger.«
    »Man kann einen Menschen nicht besitzen, es sei denn, es handelt sich um einen Sklaven. Und Gemma ist nicht Eure Sklavin, vergesst das nicht!«
    »Aber sie ist meine Frau, und damit gehört sie in mein Haus. Das ist mein gutes Recht, wie Ihr gewiss zugestehen werdet.«
    »Ihr müsst Euch gedulden. Wir hatten vereinbart …«
    »Ihr hattet vereinbart, Ihr ! Und wenn mein Langmut bereits erschöpft wäre, was dann?«
    »Fasst Euch weiterhin in Geduld, auch wenn es schwer fällt. Gemma ist noch nicht so weit. Sonst hätte ich Euch längst Bescheid gegeben.«
    Bartolo drehte sich zum Fenster. Der Junge ließ auf sich warten, genau so, wie er es insgeheim erhofft hatte. Kluger Mario, dachte er zärtlich, kluger kleiner Mario!
    »Mir gefällt nicht, was man sich über meine Frau erzählt«, begann Lupo erneut. »Die Leute sagen …«
    »Die Leute haben immer etwas zu reden, das sollte jemand von Eurem Format doch wissen. Ich mag nicht mehr jung sein, aber meine Augen sind noch immer scharf, und sie beobachten meine Älteste genau. Daran könnt Ihr Euch halten, wenn Ihr wollt.«
    »Auch, wenn sie sich im Hospital herumtreibt und ganz offen mit Lumpenpack verkehrt?«
    Bartolos Gesicht glich plötzlich einem frisch gebleichten Betttuch.
    »Alle menschlichen Wesen sind Kinder Gottes«, sagte er. »Auch die, die ihre Eltern verloren oder sie vielleicht sogar niemals gekannt haben. Wir sollten Mitleid mit ihnen empfinden und glücklich sein, dass wir in einer reichen Stadt leben, die ihr Überleben sichern kann.« Seine Hände kamen nicht mehr zur Ruhe. »Sonst noch etwas?«
    »Allerdings.« Lupo di Cecco bemühte sich, ein Lächeln auf sein Gesicht zu bringen. »Ich habe Nachrichten erhalten, gute Nachrichten, Schwiegervater. Das Schiff mit unserer Ladung hat die Balearen heil erreicht. Wenn nun auch noch der Rückweg reibungslos verläuft, können wir mit ordentlichem Gewinn rechnen.«
    »Wir sollten zur Madonna beten, die uns alle beschützt«, sagte Bartolo. »Nicht nur unsere Stadt, sondern jeden Einzelnen. Das vor allem sollten wir tun.«
    »Beten? Weshalb ausgerechnet beten?«
    »Weil die Frühlingsstürme heftig sein können und nicht jedes Schiff wieder in seinem Heimathafen ankommt. Ihr haltet mich doch auf dem Laufenden?«
    »Selbstverständlich.«
    Die Brust war Bartolo noch immer eng, als di Cecco gegangen war und der Junge mit dem Krug zurückkehrte. Er goss sich einen Becher ein, trank ihn in einem Zug aus, dann einen zweiten. Ganz leer fühlte er sich auf einmal innerlich, leer, alt und äußerst zerbrechlich. Mein Lebenskahn hat schon so manchen Sturm durchstehen und so manche Klippe umschiffen müssen, dachte er, und leider sieht es zurzeit nicht so aus, als sei das Schlimmste bereits glücklich überstanden.
    »Du magst ihn nicht?« Marios Stimme war ganz zart.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich mag ihn auch nicht. Er hat kein Herz, würde Maria sagen.« Tiefes Rot übergoss die schmalen Wangen des Jungen.
    »Dann ist sie ein kluges Mädchen, deine Schwester«, sagte Bartolo. »Vielleicht holen wir sie ja eines Tages auch über die großen Berge, was meinst du? Ob sie sich bei uns in Siena wohlfühlen

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