Die Sünderin von Siena
würde sein Bauch anschwellen, so stark, dass er beinahe zu platzen drohte. Und plötzlich begriff er. Der Blonde war hier, um mit ihm abzurechnen, egal, was immer er tat oder sagte. Er konzentrierte sich nur noch darauf, irgendwie weiterzuatmen, kein einfaches Unterfangen, denn plötzlich wurde ihm speiübel und er sank kraftlos zu Boden.
»Macht weiter!«, hörte er den Anführer sagen. »Bis er richtig fertig ist. Überallhin – nur nicht ins Gesicht.«
Irgendwann verlor Matteo das Bewusstsein, doch er kam rasch wieder zu sich, als ein Schwall kaltes Wasser seinen Kopf traf. Er rang nach Luft, denn der Blonde kauerte jetzt über ihm und hielt seinen Hals umklammert.
»Ich könnte ihn dir umdrehen wie einer Gans, auf die
der Ofen wartet«, sagte er. »Ich könnte dir aber ebenso gut die Hände zerquetschen lassen, bis du vor Schmerzen wahnsinnig wirst und niemals wieder einen Pinsel halten kannst. Merk dir das gut!«
Er löste die Zwinge.
Matteo konnte wieder atmen, eine köstliche Empfindung, obwohl sein ganzer Körper schmerzte und brannte.
»Eines noch.« Die Zwinge war zurück und mit ihr die Todesangst. »Mein Name ist di Cecco. Lupo di Cecco. Und wenn du mein Weib nur noch ein einziges Mal ansiehst, gehörst du den Aasfressern.«
❦
Dass sie ihn überrumpelt hatten, merkte Savo Marconi erst, als sie schon in seiner Offizin standen, die beiden Frauen mit den drei Kindern in ihrer Begleitung. Wäre die eine nicht Monna Gemma gewesen, die Tochter des Tuchhändlers Santini, die mit dem reichen Kaufmann di Cecco verheiratet war, hätte er den beiden den Zutritt verweigert.
»Lelio plagt ein böser Husten«, sagte Gemma. »Und das schon seit Tagen. Bitte gebt uns Eure beste Medizin!«
Der Apotheker wagte kaum den Blick zu heben, um bloß nicht wieder ins Gesicht der anderen Frau sehen zu müssen, jener , die so dreist und gleichgültig vor seinen Regalen stand, als hätte sie ihn niemals zuvor gesehen. Kein Lidschlag verriet, dass sie sich unbehaglich fühlte. Sie hatte etwas mit ihrem Haar angestellt, das ihn verwirrte. Ihr Gesicht aber war nach wie vor glatt und jetzt so ernst, durchaus einer Mutter angemessen, die sich um ihre kranken Kinder sorgt.
»So einfach ist das nicht«, brachte er endlich nach einigem Räuspern hervor. »Husten ist schließlich nicht Husten, wenn Ihr versteht, was ich meine.« Er spürte, dass er zu schwitzen begann, was er mehr als alles andere hasste. Sein neues Wams aus feinstem, leichtem blauen Leinen würde verderben, das er heute zum ersten Mal trug. Plötzlich war ihm sogar das ganz einerlei. »Klingt der Husten hohl, und ist er mit schnell und hoch ansteigendem Fieber, großem Durst und Angstzuständen verbunden …«
»Ich hab keine Angst«, unterbrach ihn der Junge. »Bloß Husten.«
»Hast du Schmerzen in der Brust? Kopfweh? Durst auf heiße Getränke?«
Lelio schüttelte den Kopf.
»Mach den Mund auf!«
Der Junge gehorchte, aber erst, nachdem Gemma ihm aufmunternd zugenickt hatte.
»Die Zunge ist weißlich belegt«, sagte der Apotheker und richtete sich wieder auf. »Zum Glück jedoch erscheint mir der Rachen normal. Halsbräune können wir ausschließen, denn er stinkt ja auch nicht aus dem Mund. Wird es abends schlimmer?«
»Ganz richtig«, sagte Gemma. »Er wird weinerlich und anlehnungsbedürftig und will um keinen Preis der Welt ins Bett. Denn kaum liegt er, beginnt er schon bellend zu husten. Und die anderen beiden fallen ein.«
»Soll ich sie mir auch ansehen?«
»Unbedingt«, sagte Gemma. »Deswegen haben wir sie ja alle mitgebracht.«
Erst sperrte Mauro geduldig den Mund auf; dann streckte Cata ihre spitze Zunge heraus.
»Sie haben alle offenbar das Gleiche.« Der Apotheker schien zu zögern, dann sprach er weiter, obwohl er die Antwort eigentlich schon kannte. »Eure Kinder?«
Gemma lächelte.
»Sozusagen. Zu Hause haben wir noch drei, die bis jetzt gesund geblieben sind, der gütigen Madonna sei Dank! Und damit es auch weiterhin so bleibt, brauchen wir jetzt dringend Eure Hilfe.« Sie warf ihrer Begleitung einen Blick zu, doch die blieb so stumm wie bisher.
»Ihr könnt Brustwickel mit Ricotta auflegen«, sagte Savo Marconi, »dazu Lindenblütentee kochen und …«
»Diese alten Hausmittel kennen wir selber. Wir haben sie bereits angewandt, doch geholfen haben sie leider nicht.« Gemmas Stimme war fest. »Was wir brauchen, ist richtige Medizin. Medizin, die schnell und gründlich wirkt.«
Sie schien zu überlegen, dann griff sie in
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