Die Sünderin von Siena
etwas eifersüchtig sein, wie ich mir denken könnte.«
»Was willst du, Lupo?« Gemma war abrupt stehen geblieben, sah ihn direkt an. »Rede!«
»Zum dritten Mal die gleiche Frage – nun gut.« Eine flackernde Öllampe warf seltsame Schatten auf sein Gesicht. »Du hast mich sehr verletzt mit deinem ungehörigen Verhalten, doch ich bin bereit, dir zu vergeben. Komm zurück, Gemma! Wir sind vor Gott und der Welt Mann und Frau – und das werden wir auch bleiben.«
Er klang so ernst, so wahrhaftig. Seine Züge waren ruhig und gelassen. Hätte sie ihn nicht so gut und ganz anders gekannt, sie hätte ihm fast glauben können.
»Wir werden sehen, Lupo«, sagte sie. »Und jetzt lass mich bitte allein weitergehen!«
»Wie du willst.« Nicht einmal die Stimme verriet seine wahren Gefühle. »Du wirst es nicht vergessen, Gemma?«
Da war sie schon an ihm vorbei, die Schultern hochgezogen, als würde sie plötzlich frieren. Am liebsten wäre sie sofort ins Haus geschlüpft, zu Mamma Lina und den Kindern, zu all dem Trubel und dem Leben, aber wie immer musste sie kurz verweilen und einen neugierigen Blick auf das Haus des Malers werfen. Alle Fenster dunkel, weder Licht noch Rauch.
Sie wollte sich schon abwenden, da fiel ihr auf, dass die Türe offen stand. Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, näherte sie sich.
»Messer Minucci!«, rief sie, als sie drinnen war. »Ich bin es, Gemma Santini. Seid Ihr da? Jemand zu Hause?«
Zunächst blieb alles still, doch als sie weiterging, hörte sie leises Stöhnen.
»Messer Minucci – seid Ihr krank?«
Das Stöhnen wurde lauter, je näher sie kam. Dann stieß ihr Schienbein gegen den Pfosten der Bettstatt. Gemma unterdrückte einen Schmerzensschrei, um dennoch laut aufzuschreien, als sie im Halbdunkel den übel zugerichteten Maler erkannte.
»Matteo – was hat man Euch bloß angetan? Ihr seid ja klatschnass. Und Ihr zittert!«
»Sie waren zu dritt«, brachte er mühsam hervor. »Und ich ganz allein. Sie haben …«
»Wie kann ich Euch helfen? Blutet Ihr? Braucht Ihr Verbände?«
»Wasser … Ich sterbe vor Durst, und jede Bewegung …«
»Rührt Euch nicht! Ich bin gleich wieder bei Euch!«
Sie brachte einen Krug, einen Becher und eine Wasserschüssel. Mit einem leichten, kühlen Tuch fuhr sie ihm über Stirn und Lippen, er spürte die Berührung ihrer Finger durch den Stoff hindurch. Dann schob sie ihre Hand unter seinen Kopf und stützte ihn mit einem Kissen. Er überließ sich dankbar ihrer Fürsorge und trank, als sie den Becher an seinen Mund setzte.
»Mehr Licht!«, bat er. »Ich möchte Euch sehen.«
Sie zündete zwei Öllampen an und stellte sie auf die
Truhe. Er schien ruhiger, atmete jedoch noch immer viel zu schnell und verfolgte dabei jede ihrer Bewegungen.
»Jetzt ist es heller geworden«, sagte er, als sie wieder neben ihm saß. »Viel heller!«
»Das sind die Lampen. Ihr hattet mich doch darum gebeten.«
»Nein, das liegt allein an dir. Gemma, bitte …«
Sie beugte sich tiefer über ihn, schaute in sein schmerzerfülltes Gesicht, das ihr noch nie zuvor so lebendig, so männlich, so anziehend vorgekommen war. Jetzt hätte sie ihn malen können, so genau nahm sie jede Einzelheit in sich auf. Alles erschien ihr genau so, wie es sein musste: die Nase zu groß, der Mund zu beweglich, die Lider zu dünn, die Wimpern zu lang. Kein harmonisches Antlitz, in dem Maße und Proportionen stimmten, es war eher, als hätte jemand verschiedene Teile mit Kraft, Temperament und einer ordentlichen Portion Ungeduld zusammengefügt.
»Ja?«, sagte sie, nur noch eine Handbreit von seinen Lippen entfernt. »Was willst du mir sagen?« Ihr Herz klopfte unerträglich laut.
»Das weißt du«, sagte Matteo matt. »Vom allerersten Augenblick an, damals in der Küche des Hospitals.«
Sein Atem war warm und leicht scharf, und als er sie zart küsste, begann ihr Körper zu kribbeln.
»Das dürfen wir nicht«, sagte sie, als sie sich wieder von ihm löste. »Ich bin verheiratet.«
»Mit Lupo di Cecco, ich weiß.« Matteo stieß ein kurzes Lachen aus, das ihn allerdings schmerzlich zusammenzucken ließ. »Er hat mich so zurichten lassen. Weil ich dich angesehen habe.« Er versuchte, sich allein aufzurichten, musste dies aber aufgeben. »Er hat die Befehle erteilt. Die anderen haben sie lediglich ausgeführt.«
»Lupo? Aber das ist doch ganz und gar unmöglich!«, rief Gemma und wusste im gleichen Augenblick, dass jedes Wort wahr war.
Matteo zog sein Hemd mühsam ein
Weitere Kostenlose Bücher