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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ihr Haar und zog zwei wertvolle Elfenbeinkämme heraus.
    »Ich kann Euch dies hier für Eure Aufwendungen anbieten«, sagte sie. »Vorausgesetzt, wir können jederzeit wiederkommen, sollten die Beschwerden sich verschlimmern oder die anderen Kleinen auch noch krank werden.«
    Der Apotheker schluckte, schien plötzlich nach einem Halt zu suchen.
    »Das wird nicht nötig sein«, erwiderte er rau. »Ganz sicherlich nicht. Ich hätte da etwas Spezielles für Euch.«
    Seine Hand zitterte leicht, als er in das oberste Regal griff und ein bauchiges Gefäß herunterholte.
    »Hanfsamen in Milch«, sagte er. »Dazu Melonenkraut, alles stundenlang gekocht und danach abgeseiht. Angereichert mit blauem Eisenhut, davon natürlich nicht mehr als eine Messerspitze. Die weitere Zusammensetzung ist ein Geheimnis. Bislang war es immer äußerst wirksam.«
    »Was meinst du?«, wandte Gemma sich an ihre schweigsame Begleiterin. »Sollen wir es damit versuchen?«
    Ein Achselzucken. Marconi spürte, wie die Frau penetrant an ihm vorbeischaute.
    »Dann machen wir den Versuch!«
    Savo Marconi konnte es kaum erwarten, bis die beiden endlich das Gefäß an sich genommen und mit den Kindern seine Offizin verlassen hatten. Monna Gemma verabschiedete sich sichtlich erleichtert; die andere dagegen blieb stumm.
    Er ließ sich auf einen Hocker fallen, schlug die Hände vor das Gesicht. Er und seine Freunde mussten ihre Taktik ändern, das stand fest. Denn sie war zu allem fähig, das hatte ihr Besuch bei ihm bewiesen. Anstatt sich zu ducken und ins Verborgene zu flüchten, hatte sie auf dem Schachbrett des Lebens vor aller Augen einen weiteren kühnen Zug getan. Es gab nur eine einzige logische Schlussfolgerung: Die Zeit der heimlichen Beobachtung war vorbei. Jetzt galt es, Taten folgen zu lassen.
    Der Apotheker tupfte sich den Schweiß von Stirn und Nacken. Am liebsten hätte er das neue blaue Wams augenblicklich auf den Abfall geworfen, so besudelt fühlte er sich. Doch zuvor musste er dringend mit Enea sprechen, obwohl es schon sehr spät war.
    Den ganzen Weg bis hinüber nach San Francesco mahlten seine Kiefer, und in seinem Kopf überschlugen sich die Worte. Als er an die Pforte klopfte, öffnete ihm statt der alten Dienerin die Hausherrin selber.
    »Du bist es.« Bice klang maßlos enttäuscht. »Und ich dachte, der Junge sei endlich zurückgekommen.« Sie hatte geweint, ihre Augen waren gerötet und die Tränensäcke dicker als gewöhnlich.
    »Was ist mit Giovanni?«, fragte der Apotheker, innerlich bebend vor Ungeduld. Er war fest davon ausgegangen, dass Bice die Maiandacht besuchen würde, denn ihre glühende Verehrung der Madonna war stadtbekannt. Sie zu Hause anzutreffen, und verweint und ungewohnt mitteilsam dazu, passte ganz und gar nicht in sein Konzept.
    »Enea und ich vermissen ihn seit den frühen Morgenstunden.« Sie musste nicht hinzufügen, dass sie seit Jahren getrennt schliefen; der Freund hatte es ihm längst berichtet. »Er muss das Haus verlassen haben, bevor wir wach geworden sind. Er hat nichts hinterlassen, kein Wort, keine Zeile.«
    »Das sind gerade mal ein paar Stunden, und der Junge ist fünfzehn, Bice«, besänftigte sie Marconi. »In seinem Alter …«
    »… stellt man, wenn du dich freundlicherweise erinnerst, die dümmsten und verrücktesten Dinge an«, unterbrach sie ihn scharf. »Es gab gestern Abend einen bösen Streit. Enea hat ihn geschlagen. Das hätte er nicht tun dürfen.« Ihre Unterlippe zitterte, und in den blassgrünen Augen standen schon wieder Tränen. »Wo kann er nur stecken? Ich vergehe vor Sorge!«
    »Er wird nach Hause kommen, wenn er hungrig und müde ist. Das tun sie in der Regel alle. Nichts ist so überzeugend wie ein weiches Bett und ein gedeckter Tisch.« Der Apotheker musste sich anstrengen, um äußerlich ruhig zu bleiben. »Wo kann ich Enea finden? Ich hätte etwas mit ihm zu besprechen.«
    »Jetzt? So spät? Was gibt es denn so Dringliches, das nicht bis morgen warten kann?«
    Mit vorgerecktem Hals starrte sie ihn misstrauisch an. Sie zu küssen ist, wie einem toten Fisch die Zunge in den Mund zu stecken, hatte Enea einmal gesagt. Es gehörte nicht übertrieben viel Fantasie dazu, sich das vorzustellen.
    »Geschäfte«, sagte er. »Und eilige dazu. Wir haben die Halsbräune in der Stadt, wie du sicherlich schon gehört hast, und ich musste alle meine Vorräte an das Hospital liefern. Bis ich Nachschub bekomme, kann es dauern, und da wollte ich …«
    »Komm herein!« Wie beabsichtigt,

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