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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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reden.»
    Nach zwei in der Nacht kamen sie an. Da war Georg nicht mehr ansprechbar. Die Haustür stand offen. Georg saß auf dem Kellerboden, hielt den blutigen Kopf eines nackten Mädchens im Schoß und wiederholte nur die Sätze. «Sie muss atmen. Sie atmete plötzlich nicht mehr.»
    Johannes Frankenberg verstand nicht, was sein Sohn meinte. Das Mädchen in seinem Schoß war schwer verletzt und ohne Bewusstsein, aber ohne Zweifel lebte es. Noch! Dass noch ein zweites Mädchen da gewesen sein musste, bemerkteseine Frau erst später, als sie auf das Kleiderhäufchen aufmerksam wurde. Und erst nach drei Tagen konnte Georg erklären, dass Hans Bueckler und Ottmar Denner die Leiche des zweiten Mädchens aus dem Haus geschafft hatten, kurz bevor die Eltern eintrafen.
    Denner und Bueckler hatten auch Cora mitnehmen wollen. Georg hatte das nicht zugelassen. Und Georg hatte wieder und wieder beteuert: «Ich habe Magdalena nicht umgebracht. Sie hörte plötzlich auf zu atmen.»
    Herzversagen, dachte Rudolf Grovian, oder das Aneurysma ist geplatzt unter der Anstrengung. Auf jeden Fall war es ein natürlicher Tod gewesen – und für Magdalena vielleicht sogar ein schöner. Frankie hatte ihr gegeben, was sie wollte, und getan, was er tun konnte.
    Was sie beschrieben hatte, klang nach Reanimationsversuchen. Und Rudolf Grovian dachte an die junge Patientin, von der Winfried Meilhofer gesprochen hatte. Der Frankie zwei Rippen brach, weil er sich mit ihrem Tod nicht abfinden konnte. Vielleicht hatte er in ihr noch einmal Magdalena vor sich gesehen. Der Erlöser, dachte er. Das war er gewesen. Magdalena erlöste er von ihrem Leiden, Cora von der Last. Nur von ihrer Schuld hatte er sie nicht erlösen können. Im Gegenteil! An ihm war sie schuldig geworden vor dem Gesetz.
    Sie weinte immer noch. Nach mehr als einer Stunde drehte sie ihm endlich das Gesicht zu und wollte wissen: «Wie kann man so etwas vergessen?»
    Er hob die Schultern an. «Frau Bender, Sie müssen mit Professor Burthe darüber reden. Fragen Sie ihn. Er kann Ihnen das bestimmt erklären.»
    «Ich frage aber Sie. Wie kann man so etwas vergessen?»
    «Das passiert vielen Leuten», sagte er nach ein paar Sekunden. «Man hört es oft nach Unfällen. Da erinnern sich manche nur noch, dass sie auf eine Kreuzung zugefahren sind. Was dann geschehen ist, wissen sie nicht.»
    «Auf eine Kreuzung», murmelte sie. «Oder kurz vor elf nach Hause.» Sie begann erneut mit ihrem Kopfschütteln. Minutenlang war sie still. Als sie dann wieder sprach, hatte ihre Stimme einen ersten Hauch von Bitterkeit. «Fünf Jahre!»
    Mit einem zittrigen Atemzug brach sie ab, dann wiederholte sie: «Fünf Jahre lang habe ich gedacht, ich hätte meine Schwester umgebracht. Alle haben es gedacht. Mein Vater, Margret und Grit. Nein, die nicht. Sie hat immer gesagt: ‹Das traue ich dir nicht zu.› Aber sie hat auch gesagt: ‹Ich glaube nicht, dass du gefixt hast.› Und ich musste mir nur meine Arme ansehen, dann musste ich es glauben, ob ich wollte oder nicht.»
    Unvermittelt schlug sie mit dem linken Arm zur Seite. Er fiel mit der Armbeuge nach oben auf das Lenkrad.
    «Vorsicht, Frau Bender!», schrie er. Ihm wurden die Hände feucht. Die Tachonadel stand bei hundertsechzig. Links neben ihm war die Leitplanke, rechts eine Kolonne von Lastwagen.
    Sie beachtete ihn nicht, ließ den Arm, wo er war. «Warum hat er das getan?»
    Er drosselte langsam die Geschwindigkeit. Abrupt wäre es nicht möglich gewesen, ohne den Hintermann auffahren zu lassen. Dann nahm er ihren Arm und legte ihn in ihren Schoß. «Machen Sie das nicht noch einmal. Oder wollen Sie uns beide umbringen?»
    «Warum hat er das getan?», wiederholte sie.
    «Das wissen Sie doch.»
    «Nein!», stieß sie hervor. «Das weiß ich nicht. Um Frankie aus der Sache rauszuhalten, hätte er mir nicht die Arme so versauen müssen. Da hätte es gereicht, mir zu erzählen, ich sei vor sein Auto gelaufen. Ich habe mir so gewünscht, ich wäre nur ganz normal vor sein Auto gelaufen. Und er erzählt mir von Verletzungen im Vaginalbereich. Die kann ich garnicht gehabt haben. Johnny hat mir nicht wehgetan. Warum hat er mir so etwas erzählt? Mein Gott, das höre ich heute noch. Die Umstände und die Art Ihrer Verletzung lassen nur einen Schluss zu! Warum hat er das gesagt?»
    Sie war völlig außer sich. Es wäre ihm entschieden lieber gewesen, sie hätte sich beruhigt. Er konnte nicht rüber auf die Standspur. Es gab keine Lücke zwischen den

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