Die Sünderinnen (German Edition)
Aussicht, verletzt und hilflos vor der Kloschüssel eines Mörders zu liegen, gehörte mit zu den schlimmsten Szenarien, die er sich im Moment vorstellen konnte. Schweiß tropfte von seiner Stirn und durchnässte seine Kleidung. Während er sich weiter ins Innere schob, streckte er die Arme ganz nach vorn, bis seine Hände den Klodeckel erreichten. Jetzt konnte er die Füße einzeln nach innen ziehen. Doch dann rutschten ihm die Hände ab, das rechte Schienbein krachte auf die Kloschüssel und sein Körper landete auf dem harten Boden.
Regungslos blieb er auf den schwarzen Kacheln liegen. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, tastete er das Schienbein ab. Am liebsten hätte er vor Schmerz aufgeschrien, aber zumindest fühlte er keinen Bruch, nur ein wenig warmes Blut sickerte durch die Hose.
Plötzlich hörte er Geräusche, wahrscheinlich Schritte. In aufkommender Panik schielte Mark zu dem Schlüssel in der Toilettentür, aber er war unfähig, sich zu rühren. Er wusste ja nicht einmal, ob er überhaupt stehen konnte. Sicher würde Burgmeister das einfache Schloss nicht gerade daran hintern, in die Toilette vorzudringen, wenn er sie zugesperrt vorfand und doch wissen musste, dass er sie nicht verriegelt hatte. Also entschied Mark, sich ruhig zu verhalten und darauf zu vertrauen, dass der Hausherr nicht gerade jetzt einen gewissen Drang verspürte.
Mit einem leisen Plopp schlug eine Tür zu. Wenig später dasselbe Geräusch noch einmal. Wahrscheinlich hatte Burgmeister sich etwas aus dem Kühlschrank geholt. Während Mark überlegte, wie lange der Mann sich nun wohl in dem Haus aufhalten würde, sah er sich nach einem Gegenstand um, den er notfalls als Waffe benutzen konnte. Abgesehen von dem Metallgriff der Klobürste konnte er jedoch nichts entdecken. Er musste unbedingt aufstehen. Zumindest wollte er dem Feind Auge in Auge gegenübertreten, um ihm notfalls die Faust ins Gesicht zu rammen. Vorsichtig rappelte er sich hoch und versuchte, den Fuß mit dem verletzten Schienbein zu belasten, und stellte erleichtert fest, dass er stehen konnte. Nur eine schnelle Flucht konnte er mit der Verletzung vergessen.
Plötzlich hörte er wieder leise Schritte. Sie näherten sich, kamen so nah, dass Mark instinktiv von der Tür zurückwich. Burgmeister musste direkt davor stehen. Unwillkürlich hielt Mark die Luft an. Was ging in Burgmeister vor? Spürte er den Eindringling? Mark jedenfalls spürte die Nähe des Mörders. Als würde ihn diese Nähe zu geistigen Höhenflügen inspirieren, erkannte er plötzlich, dass Burgmeister auch ihn als Opfer ausgewählt hatte. Für Burgmeister trug er Mitschuld daran, dass sich Katharina von ihm getrennt hatte. Damit lag er nicht einmal so falsch, allein hätte sie den Absprung niemals geschafft.
Während Mark sich zitternd gegen die Wand lehnte, wurde ihm bewusst, dass Burgmeister von Anfang an beabsichtigt hatte, die Schlinge um seinen Hals immer enger zu ziehen. Deshalb hatte der Mörder den Verdacht auf ihn gelenkt, wobei ihm die Krise mit Susanne zusätzlich zu Hilfe kam. Er selbst aber hatte sich nun dem Mörder frei Haus ans Messer geliefert.
Links neben der Tür raschelte Papier. Las Burgmeister vielleicht in einer Zeitung? Mark konnte nur hoffen, dass er nicht die Absicht hatte, den Toilettenraum zu betreten. Als hätte Burgmeister seinen Wunsch erhört, schien er sich mit eiligen Schritten zu entfernen. Wenig später schlug eine Tür, dann herrschte Stille. Nachdem Mark noch einige Minuten abgewartet hatte, trat er vorsichtig in die Diele.
Das Gehen fiel ihm leichter als erwartet. Mit einem raschen Blick stellte er fest, dass er richtig vermutet hatte, Burgmeister hatte offensichtlich gelesen. Auf einem kleinen Sekretär lag ein aufgeschlagenes Telefonbuch der Stadt Essen. Was hatte Burgmeister vor? Jedenfalls schloss Mark aus Burgmeisters festem, schnellem Schritt auf einen Plan. Beunruhigt warf er einen Blick in das Telefonbuch. Offensichtlich hatte der Mann einen Namen mit dem Anfangsbuchstaben H gesucht. Leider ergaben sich für Mark daraus im Moment keinerlei Anhaltspunkte. Zumindest glaubte er nicht an eine schnelle Rückkehr des Hausherrn, so dass er sich in Ruhe umsehen konnte.
Als Erstes inspizierte er die Küche. Der Tisch war abgeräumt. Ein schmutziges Glas und ein benutzter Teller standen ordnungsgemäß in der Spüle. Zum ersten Mal peinlich berührt, weil er unerlaubt in die Intimsphäre eines Menschen eindrang, wandte er sich ab und verließ den Raum. In
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