Die Sünderinnen (German Edition)
Ruhe breitete sich in ihm aus, wie er sie schon kurz vor den anderen Sühneopfern verspürt hatte. Ohne Hast startete er nun den Motor und fuhr wenige hundert Meter bis vor die Villa der Familie Henkelmann. Er stieg langsam aus, nahm einen Aktenkoffer vom Rücksitz und lief dann mit festen Schritten bis zum Eingangsportal. Man würde ihn ins Haus hineinlassen, dessen war er sicher, er spürte es. Hoffnungsvoll drückte er auf den Knopf der Gegensprechanlage.
»Ja bitte«, ertönte kurz darauf eine Frauenstimme.
»Grundstein, ich möchte Frau Susanne Milton sprechen.«
»Die ist im Moment nicht hier.«
»Aber es ist dringend.«
»Moment«, erwiderte die Stimme.
Während er kurz wartete, spielte er gedanklich einige Möglichkeiten durch, wie er Susanne Milton von ihrer Familie isolieren könnte. Zweifellos würde sich der letzte Akt seines Plans am schwierigsten gestalten. Dafür jedoch winkte der größte Triumph. Durch seine Tat würde er sein Opfer vor der Sünde schützen. Die Frau, die plötzlich im Türrahmen auftauchte, durchbrach seine Gedanken. Fast glaubte er, Susanne Milton stünde unerwartet vor ihm, doch dann erkannte er, dass die Frau viel älter sein musste.
»Kommen Sie doch herein«, forderte sie ihn auf.
»Grundstein, Rechtsanwalt Grundstein«, erwiderte Burgmeister und ließ sie einen Blick auf seine Visitenkarte werfen, ohne sie jedoch aus der Hand zu geben.
»Wie schon gesagt, meine Tochter ist nicht da. Aber Sie können auf sie warten. Sie geht gerne in die Sauna, wenn wir die Kinder betreuen.«
»Leider habe ich wenig Zeit.«
»Es dauert nicht lange«, erklärte Frau Henkelmann. »Der Betrieb schließt bald. Susanne geht am liebsten um diese Zeit dorthin, weil es dann schön leer ist. Die meisten Frauen verlassen die Sauna, ehe ihre Männer von der Arbeit nach Hause kommen.«
»Ist das weit von hier?«, fragte Burgmeister mit unverhohlenem Interesse.
»Nur zwei Parallelstraßen«, gab Frau Henkelmann bereitwillig Auskunft. Sauna und Wellness steht draußen. Aber Sie können gerne im Wohnzimmer warten. Susanne ist sicher in wenigen Minuten hier.«
»Sehr freundlich, aber es geht wirklich um jede Sekunde«, entgegnete er und reichte ihr zum Abschied die Hand.
Kopfschüttelnd sah sie ihm nach, wie er die Einfahrt fast hinunterrannte. Obwohl er sich beeilen musste, war er innerlich immer noch ruhig. Während er den Wagen durch das Viertel fuhr und nach der Sauna Ausschau hielt, überlegte er, wie er am besten vorgehen sollte, und als er das gesuchte Schild gefunden hatte, stand sein Plan fest. Bevor er ausstieg, vergewisserte er sich, dass der Dolch in seiner Jackentasche steckte. Ein kurzer Kontrollgriff zur Perücke, dann nahm er den Aktenkoffer in die Hand und lief zum Eingang der Sauna. Während er dreimal tief durchatmete, schaute er neugierig durch die gläserne Eingangstür. Schließlich drückte er die Klinke hinunter und trat ein.
»Tut mir leid, wir schließen gleich«, erklärte eine brünette Frau knapp über dreißig, die hinter der Anmeldung stand.
»Aber die Tür war noch nicht verschlossen«, erwiderte Burgmeister und drehte den Schlüssel im Schloss herum.
Irritiert schaute die Frau in seine Richtung. Sie konnte gar nicht so schnell begreifen, was er da tat, doch als er sich zu ihr umwandte, schnürte sich ihre Kehle zu. Der Mann scherzte nicht, in seinen Augen loderte der Wahnsinn. Ehe sie schreien konnte, trat er neben sie und hielt eine spitze Waffe gegen ihre Brust.
»Tun Sie genau, was ich Ihnen sage, dann passiert Ihnen nichts.«
Seine Stimme klang nicht gerade vertrauenerweckend, dennoch blieb ihr keine andere Wahl. Ohne Gegenwehr ließ sie sich die Hände fesseln.
»Wie viele Kunden sind noch hier?«, fragte er plötzlich.
Für einen kurzen Moment geriet sie in Versuchung, die letzte Kundin zu verschweigen, aber sie hatte Angst. Was würde er mit ihr anstellen, wenn er merkte, dass sie ihn belogen hatte? »Nur eine Frau«, antwortete sie, wobei ihr Unterkiefer vibrierte. »Sitzt noch in Sauna eins.«
Der Mann nickte und klebte ihr den Mund mit einem breiten Band zu. Insgeheim hoffte sie, er würde endlich die Kasse mit den Tageseinnahmen an sich nehmen und verschwinden, doch sein Blick wanderte durch den hinteren Teil des Geschäftslokals. Er zerrte sie dorthin, zu einer kleinen Tür, hinter der sich eine Abstellkammer befand. Er schaute hinein, war offensichtlich zufrieden mit dem, was er gesehen hatte, und stieß sie in den telefonzellengroßen Raum.
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