Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
Gedanken irgendwas tat: Umblättern oder noch ein Buch holen oder etwas buchstabieren. Aber der kleine Affe in Uniform zeigte nur auf ein grünes Viereck im Strickmuster von Augsburg, als gäbe es da etwas unerhört Wichtiges zu sehen.
„Einen Moment, Herr Winter …“, sagte Maria hilflos und schaute sich das grüne Viereck ganz genau an. Sie entdeckte aber nur das Wort ‚Spielplatz’ und wusste doch ganz genau, dass kein einziges der abtrünnigen Reiche so hieß.
Thuna saß die ganze Zeit neben Maria und wartete gespannt darauf, ob ihr jüngster Ratschlag, den sie Maria gegeben hatte, irgendeine Wirkung zeigte. Doch Marias Stirn legte sich mehr und mehr in Falten und sie starrte so entgeistert auf das Pult vor sich, dass Thuna sich gezwungen fühlte, ein Blatt Papier von ihrem Heft zu schieben und mit dem Finger unauffällig auf ein Wort zu deuten, das da geschrieben stand.
Maria merkte nichts davon, aber Herr Winter sah es natürlich sofort.
„Thuna, ich weiß, dass Maria lesen kann, danke. Gerade hätte ich gerne gewusst, ob Maria sich die Namen der abtrünnigen Reiche merken kann!“
Maria merkte, dass über sie gesprochen wurde, und schaute von ihrem Pult auf.
„Und sie kann es offensichtlich nicht“, fuhr Herr Winter fort. „Leider wieder eine Sechs, Maria. Was ist bloß los mit dir?“
Die Frage hatte Maria schon so oft gehört, dass sich ihr Hirn automatisch in den Ruhemodus schaltete, sobald sie diese Frage hörte. Ihre Gedanken schweiften ab, wieder einmal zu Rackiné, wie so oft in letzter Zeit.
„Wer möchte mir denn nun weiterhelfen?“, fragte Herr Winter. „Geicko, die abtrünnigen Reiche, bitte!“
Geicko schaute wie ertappt auf. Denn er hatte die ganze Zeit mit Lisandra Blicke ausgetauscht, die sich auf ihr neues Armband bezogen. Das Armband war ein schlichter, verbogener Reif, der seine besten Tage schon hinter sich hatte, und Lisandra drehte und wendete ihn die ganze Zeit vor Geickos Augen, als wolle sie ihm was Wichtiges mitteilen. Er verstand aber nicht, was. Nun riss er sich zusammen und vergegenwärtigte sich die große Landkarte von Amuylett, die in der letzten Stunde das Gewölbe des Klassenzimmers geziert hatte. Herr Winter hatte sie mit einem Schütteln seines Handgelenks dorthin gezaubert und Geicko hatte sich alles genau eingeprägt. Geholfen hatte ihm dabei ein blau gepunkteter Salamander, der vom südlichen Zipfel Amuyletts aus kreuz und quer gehuscht war, dabei die Hauptstadt Tolois im Westen gestreift hatte und schließlich ganz im Norden in Finsterpfahl über einem Türrahmen sitzen geblieben war, um in eine schläfrige Starre zu fallen.
Dass Herr Winter die ganze Gewölbedecke in Anspruch nehmen musste, um Amuylett abzubilden, lag daran, dass dieses Reich sehr, sehr groß war. Im Laufe der Jahrtausende hatte es sich einen Kontinent nach dem anderen einverleibt und bedeckte nun fast die ganze Erde, weswegen inzwischen die ganze Welt so hieß wie das Land, nämlich Amuylett. Die kleinen wenigen anderen Länder, die es noch gab, wurden von Amuylett geduldet. Sie waren offiziell als „die abtrünnigen Reiche“ bekannt, weil sie die gut gemeinten Übernahmeversuche durch Amuylett immer wieder vereitelt hatten. Es gab sechs dieser Reiche, letzte Bastionen der Unabhängigkeit, die ihre Existenz der Macht von Zauberern und Hexen verdankten. Geicko hegte eine gewisse Bewunderung für diese Reiche, die Amuylett dauerhaft trotzten, und daher hatte er sich die Namen gut eingeprägt:
„Fischlapp und Hornfall im Süden, Gorginster im Westen, Taitulpan im Osten und im Norden die Reiche Fortinbrack und Nachtlingen.“
„Sehr gut, Geicko! Und welches dieser Reiche verdient unsere besondere Aufmerksamkeit?“
„Das Reich Fortinbrack, weil es das mächtigste und größte der abtrünnigen Reiche ist.“
„Denn es liegt wo?“
„Jenseits der Meerenge von Finsterpfahl. Es bedeckt die gesamte nördliche Polkappe.“
„Eine glatte Eins, Geicko“, sagte Herr Winter und notierte die Note in seinem Notizbuch.
Geicko errötete. Er hatte nicht den Streber spielen wollen, es war nur so, dass ihn diese Reiche wirklich sehr interessierten. Als Herr Winter nun eine Karte von Fortinbrack gegen die Wand zauberte und von Grindgürtel erzählte, dem Zauberer, der Fortinbrack regierte, vergaß Geicko seine Verlegenheit und nahm das neue Wissen bis in die kleinste Einzelheit in sich auf. Er konnte zwar nicht gut lesen und schreiben, aber Geickos Gedächtnis war wie Klebstoff: Alles,
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