Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
als hätte Thuna gerade einen tollen Preis gewonnen. Dabei schauderte es Thuna bei der bloßen Vorstellung, jede Woche in die hypnotisierenden Reptilienaugen von Estephaga Glazard schauen zu müssen. Aber hatte sie eine Wahl? Nein. Mit den Handlangern der Regierung stellte man sich lieber gut.
„Danke, ja“, sagte Thuna.
Estephaga lächelte gütig oder zumindest versuchte sie es.
„Im Übrigen ist das nicht gelogen! Du bist sicher eine sehr gute Krankenschwester!“
Allmählich war Thuna zum Weinen zumute. Sie wollte eines Tages studieren und Wissenschaftlerin werden. Noch nie in ihrem Leben hatte sie auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen, Krankenschwester zu werden!
„Nun kannst du zu deinen Freundinnen gehen. Ich habe hier noch viel aufzuräumen, bevor das Schuljahr beginnt.“
Thuna stand auf und merkte, dass ihre Füße vor Anspannung ganz taub geworden waren. Sie musste aufpassen, dass sie auf dem Weg zur Tür nicht über ihre eigenen Beine stolperte, so gefühllos waren sie geworden.
„Ach ja“, sagte Estephaga, als Thuna schon die Tür geöffnet und die Freiheit des Flurs geschnuppert hatte. Thuna sank das Herz. Was kam jetzt noch?
„Magst du Tiere?“
„Ja, sehr.“
„Dann tu mir einen Gefallen und kümmere dich um Pollux. Ich gebe ihn in deine Obhut. Die Konserven lasse ich im Gang stehen, du kannst dich jederzeit bedienen.“
Thuna war sprachlos. Sie starrte den kleinen, geflügelten Löwen an, der sich neben seinem Napf zusammengerollt hatte und nun selig schlummerte.
„Und erschrick nicht, wenn du plötzlich zwei von ihm siehst“, sagte Estephaga. „Er verdoppelt sich bei Vollmond.“
In diesem Moment war sich Thuna ganz sicher, dass sie träumte. Bestimmt lag sie im riesigen, weichen Himmelbett im Schloss Montelago Fenestra und würde gleich aufwachen. Der heilige Teppichklopfer, der Eilbrief, die Reise mit dem Flugwurm und das Löwenbaby, das sich bei Vollmond verdoppelte – das alles konnte gar nicht wahr sein!
Doch Estephaga schien nicht zu wissen, dass sie nur ein Teil von Thunas Traum war. Sie hob das schlafende Löwenbaby auf wie einen stinkenden Sack Kuhmistdünger und drückte es in Thunas Arme. Es fühlte sich sehr weich, warm und schwer an. Dazu duftete es wie ein kleiner Hund und die an den Körper angelegten Flügel hoben sich sachte mit jedem Atemzug. Thuna spürte deutlicher als alles andere, dass dieses Tier echt und lebendig war. Was bedeutete, dass der Rest auch kein Traum war. Leider.
Kapitel 3: Der schwarze Pollux
Der Mond nahm in der letzten Ferienwoche fleißig zu und als eines Nachmittags der Kutschbus aus Quarzburg ankam und neben vielen anderen Schülern auch Lisandra und Geicko ausspuckte, da war der Mond fast voll. Mit glühenden Wangen rannte Lisandra als Erste über die Brücke zur Festung. Scarlett, Maria und Thuna warteten schon auf der anderen Seite, zusammen mit Pollux, der einen Emerald-Käfer kreuz und quer durch ihre Beine verfolgte. Kaum hatte Lisandra die Freundinnen erreicht, blieb sie atemlos stehen und fragte aufgeregt:
„Und?“
„Was und?“, fragte Scarlett zurück. „Ist das alles, was du nach zwei Monaten zu sagen hast? Warum hast du nie geschrieben? Du hast keinen einzigen Brief beantwortet!“
Thuna und Maria war es genauso ergangen. Sie hatten alle zwei Wochen einen Brief an Lisandra abgeschickt, aber keine Antwort erhalten – die ganzen Ferien nicht! Nun war es so, dass Lisandra mit dem Lesen und Schreiben große Schwierigkeiten hatte. Thuna ermahnte sie immer wieder zu üben, weil es wichtig war, lesen zu können. Doch es sah nicht so aus, als hätte sich Lisandra diesen Ratschlag in den Ferien zu Herzen genommen.
„Na, der Geist!“, rief Lisandra. „Hast du ihn irgendwo gesehen, Scarlett?“
„Es gibt keinen Geist!“, antwortete Scarlett. „Der General liegt in seinem Grab, da wo er hingehört.“
„Es gibt überhaupt keinen Spuk?“, fragte Lisandra noch einmal. Sie war sehr enttäuscht. „Keinen Schatten, kein komisches Geräusch?“
Mittlerweile hatte Geicko seine eifrige Freundin eingeholt. Er kam neben ihr zum Stehen und hielt die Hand auf.
„Wette gewonnen!“, sagte er.
Lisandra zog widerwillig eine Münze aus der Hosentasche und ließ sie in Geickos Hand fallen.
„So ein Mist!“
„Warum hast du nicht geschrieben?“, fragte Thuna. „Du hast versprochen, dir dieses Schuljahr mehr Mühe zu geben damit!“
„Ja, dieses Schuljahr!“, antwortete Lisandra und strich sich die zerzausten
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