Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
gar nicht!“
„Es schmeckt sicher besser als das Essen, das Sie im Gefängnis von Tolois bekommen hätten“, sagte Berry. „Fragen Sie mal meine Eltern!“
„Ich glaube es dir auch so“, sagte Viego mit einem breiten, gruseligen Lächeln.
Scarlett hatte den Brief aufgerissen und studierte ihn eifrig. Jetzt ließ sie ihn mit einem seligen Gesichtsausdruck sinken.
„Gerald kommt in den Winterferien nach Sumpfloch!“
„Er hat seinen Vater darauf festgenagelt“, erklärte Viego. „Das bedeutet vier Wochen Heimaturlaub für Gangwolf! Dem Guten wird kurz vorher einfallen, dass ihn furchtbar dringende Angelegenheiten in Amuylett festhalten. Er hasst Heimaturlaub. Aber ich werde ihn zur rechten Zeit an sein Versprechen erinnern, Scarlett!“
Maria starrte immer noch in Gangwolfs Richtung.
„Wenn ich nur wüsste …“, murmelte sie.
Und dann wusste sie es!
Gleich nach dem Mittagessen machte sich Maria auf den Weg in den dritten Stock mit dem verspiegelten Flur. Seit der schwarze Löwe in die Welt hinter den Spiegeln eingedrungen war, hatte Maria ihren ureigenen, geliebten Ort nicht mehr betreten. Sie fürchtete sich vor der Stille dort und dem Wissen, dass der kleine uniformierte Affe, der in dieser anderen Welt zu Hause gewesen war, nicht mehr lebte.
Doch jetzt war Maria eingefallen, wo sie Grohann und Ritter Gangwolf schon einmal gesehen hatte. Es war in einem Buch gewesen, einem riesengroßen Buch mit schönen Bildern, das leider in einer Sprache geschrieben war, die Maria nicht verstand. Deswegen hatte sie das Buch, das sie an einem ihrer ersten Tage in der Spiegelwelt entdeckt hatte, nur kurz durchgeblättert und dann … ja, wo hatte sie es dann hingelegt? War es vielleicht das Buch, das sie als Türstopper benutzte? Weil die Tür zwischen Kaminzimmer und Bibliothek immer zufiel, sie es aber schöner fand, wenn sie offenstand?
Maria stieg durch den Spiegel auf die andere Seite und dort umfing sie gleich der wohlige, vertraute Duft der alten, gemütlichen Räume. Es war still, doch die Stille wirkte friedlich, als wäre hier nie etwas Schlimmes passiert. Maria sah sich erwartungsvoll um. Vielleicht war ja der uniformierte Affe auf wunderbare Weise wieder zum Leben erwacht und käme nun hervor, um sie zu begrüßen? Er kam aber nicht. Im Grunde wusste Maria genau, dass er nie wieder kommen würde. Alles andere war naiver Kinderglaube.
Maria fasste sich ein Herz und durchquerte all die Räume, die zu dem Kaminzimmer führten, das an die Bibliothek grenzte. Tatsächlich fand sie das dicke, große Buch auf dem Boden zwischen beiden Räumen, wo es die Tür an Ort und Stelle hielt. Es hatte sich einiger Staub darauf angesammelt.
Maria hob es auf und trug es zum Tisch am Kaminsessel, wo sie es hinlegte und aufschlug. Sie nahm an, dass in diesem Buch verschiedene Geschichten gesammelt worden waren, denn die einzelnen Illustrationen passten überhaupt nicht zusammen. Das Bild, das Maria suchte, befand sich im letzten Drittel des Buches. Als sie es gefunden hatte, fiel die Tür, die nicht mehr gestoppt wurde, ins Schloss. Maria zuckte zusammen, was aber mehr an dem Bild lag als an dem unerwarteten Geräusch.
Eindeutig: Hier stand Gangwolf, der stolze Ritter, mit Schwert und Schild und wehrte einen Feind ab. Er stand in einer schwarzen Landschaft, die aus Vulkankratern bestand. Manche der Berge in der Ferne rauchten, über anderen war ein roter Feuerschein zu sehen. Risse durchzogen die schwarz gewordene Erde, auf der nichts mehr wuchs.
Das Wesen, mit dem Ritter Gangwolf kämpfte, hatte einen menschlichen Oberkörper, doch der Kopf war der eines Steinbocks. Der untere Teil des Körpers war behaart und stand auf Hufen statt auf Füßen. Es war Grohann, eindeutig, nur dass das Fell der abgebildeten Person grün war und nicht grau. Aus Grohanns Augen schossen gefährliche Blitze, die Ritter Gangwolf mit seinem Schild abzuwehren versuchte. Der Ritter war fast in die Knie gegangen. Er würde unterliegen, das Bild ließ daran keinen Zweifel.
Maria hob nachdenklich den Kopf. Waren Ritter Gangwolf und Grohann Feinde? Würde es mit ihnen und der Welt so kommen, wie es auf dem Bild abgebildet war? Sie erinnerte sich daran, wie Gerald ihr durch Gangwolf hatte ausrichten lassen, dass sie den Geschichten und Bildern in der Welt hinter den Spiegeln keine Bedeutung beimessen sollte. Obwohl sie vielleicht eine hatten …
„Hier seid Ihr also, Hoheit!“
General Kreutz-Fortmann steckte den Kopf zur Tür herein
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