Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
Maria. „Damit hängt es zusammen. Als du abgestürzt bist, hast du zu fliegen angefangen. Und als du fast verblutet wärst, hast du Thunas Sternenstaub-Magie benutzt, um die Blutung zu stillen. Du leihst dir diese Fähigkeiten aus, um dein Leben zu retten.“
„Maria hat recht!“, sagte Scarlett. „Genauso könnte es gewesen sein. Und die ausgeliehenen Fähigkeiten behältst du. Mehr oder weniger.“
„Ausleihen ist dann wohl das falsche Wort“, sagte Thuna. „Klauen wäre richtiger!“
Lisandras blaue Augen wurden größer und größer.
„Ihr meint, ich habe Thuna die Fähigkeit geklaut, mit Sternenstaub zu zaubern?“
„Thuna konnte es vorher auch nicht“, sagte Scarlett. „Sie weiß nicht, wie sie den Sternenstaub verwenden muss. Sie hat die Gabe bestimmt nicht an dich verloren.“
„Ach, und wenn schon“, sagte Thuna, während sie ihre Bluse zuknöpfte, die mittlerweile unangenehm über der Brust spannte. „Mein Leben ist auch ohne Sternenstaub-Zauber kompliziert genug.“
„Ich bin ja so froh!“, rief Lisandra und tanzte im Zimmer auf und ab. „Ich kann zaubern! Du, Thuna – gibst du mir was von deinem Staub ab?“
„Nimm alles, was da ist“, sagte Thuna. „Ich kann sowieso nichts damit anfangen.“
„Oh, danke! Danke!“
„Ich habe übrigens gute Neuigkeiten für dich, Thuna“, sagte Scarlett. „Ich bin der Glazard auf dem Gang begegnet. Sie sagt, die Bande sei wieder gesund und du bräuchtest heute Nachmittag nicht in die Krankenstation zu kommen.“
„Und Rackiné?“, fragten Thuna und Maria wie aus einem Mund.
Scarlett schüttelte traurig den Kopf.
„Habe ich auch gleich gefragt. Sein Zustand ist leider unverändert.“
Jetzt war unweigerlich der Zeitpunkt gekommen, an dem die beiden Polluxe in lautes Schreien und Jammern ausbrachen. Vielleicht war der Anblick von einem ganzen Karton voller Löwenfutterdosen, die da unbeachtet auf Lisandras Bett herumstanden, zu viel für sie gewesen. Thuna holte den Dosenöffner hervor. Dabei kreisten ihre Gedanken um den ohnmächtigen Rackiné. Sollte sie den Ratschlag der Nixe beherzigen und den Stoffhasen küssen? Ob ein Kuss auf die Stirn genügte? Sie musste es ausprobieren, das war sie ihm schuldig. Sie würde sich dabei sehr albern vorkommen und sie müsste aufpassen, dass es auch bestimmt keiner sah. Einen Gedanken lang war sie versucht, Maria mit der Aufgabe zu betrauen. Schließlich war es ihr Stoffhase. Doch sie verwarf die Idee gleich wieder. Bei Maria würde es nicht klappen. Das hatte sie im Gefühl.
Der schwarze Pollux hatte sich seit dem letzten Vollmond sehr verändert. Er war schon immer der scheuere von beiden Löwen gewesen, doch jetzt fauchte und kratzte er bei der kleinsten Gelegenheit. Nicht mal von Thuna wollte er sich anfassen lassen. Als die Mädchen nach der Schule in ihr Zimmer kamen, lag der schwarze Pollux auf Thunas Bett und verzehrte dort zu ihrem Entsetzen ein frisch erlegtes Kaninchen. Maria drehte es den Magen um, als sie es sah.
„Gut, dass Rackiné auf der Krankenstation liegt“, wimmerte sie, nachdem sie den ersten Anfall von Brechreiz überwunden hatte. „Pollux könnte ihn für eine Beute halten!“
„Rackiné ist jetzt fast so groß wie wir“, sagte Lisandra. „Wenn Pollux ihn für eine Beute hält, dann könnte er jeden anderen Schüler in Sumpfloch auch für eine Beute halten.“
„Vielleicht tut er das ja eines Tages“, sagte Thuna mit einem verzweifelten Blick auf ihre blutgetränkte Bettdecke. „Wer weiß, was in vier Wochen mit ihm los ist? Ich fürchte, er wird allmählich richtig gefährlich.“
Als sich Thuna ihrem Nachtschrank näherte, weil sie dort ihr Hausaufgabenheft aufbewahrte, sprang der schwarze Pollux ärgerlich auf und schlug mit der Pranke in ihre Richtung. Er verfehlte sie um Haaresbreite. Die Mädchen erstarrten vor Schreck, selbst der helle Pollux, der auf Lisandras Bett ausgewichen war, duckte sich.
„Das reicht!“, sagte Scarlett. „Thuna, du musst Estephaga sagen, dass der schwarze Löwe nicht bei uns bleiben kann!“
„Aber ….“
Der helle Pollux krabbelte ein Stück in Thunas Richtung und leckte zärtlich ihre Hand. Ob er ahnte, dass sein Schicksal eng mit dem seines Bruders verbunden war?
„Es ist zu gefährlich, Thuna! Der schwarze Löwe ist wie ein wildes Tier. Er ist nicht so zahm wie der andere!“
Lisandra schaute zwischen den beiden Löwen hin und her.
„Ich fürchte, Scarlett hat recht“, sagte sie zu Thuna. „Soll ich
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