Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
mitkommen zu Estephaga? Damit du dich nicht bequatschen lässt?“
„Aber sie kann den schwarzen Löwen nicht wegsperren, ohne den anderen auch einzusperren!“, widersprach Thuna. „Sie gehören zusammen. Und ich kann nicht zulassen, dass mein Pollux eingesperrt wird. Er braucht mich!“
Thuna kraulte ihren hellen Löwen hinter den Ohren und er drückte zur Bekräftigung seinen Kopf in ihre Seite.
„Es muss ja nur für drei Tage sein“, sagte Scarlett. „Bis der schwarze Löwe wieder verschwindet.“
Thuna nickte, schweren Herzens.
„Wenn es unbedingt sein muss …“
Sie beschlossen, zu viert zu Estephaga Glazard zu gehen. Scarlett und Lisandra übernahmen das Reden. Sie überzeugten die Lehrerin für Heilmittelkunde davon, dass in ihrem Zimmer kein Platz für zwei halbwüchsige Löwen war, von denen der eine sein Fressen selbst erjagte. Estephaga entschied daraufhin, dass die Löwen vorübergehend in einem leer stehenden Faulhund-Gehege untergebracht werden sollten. Sie rief Grohann, damit er ihr half, die beiden Löwen einzufangen.
Als Grohann, Estephaga und die vier Mädchen im Zimmer 773 ankamen, war der schwarze Pollux verschwunden. Der helle Pollux, der Thuna sowieso auf Schritt und Tritt folgte, wenn gerade kein Unterricht war, wurde daher alleine zum überdachten Gehege geführt. Dort ließ sich Thuna mit Pollux zusammen einsperren. Sie bestand darauf. Grohann versprach, ihr einen zweiten Schlüssel für die Gehegetür vorbeizubringen, damit sie jederzeit zu Pollux hinein- und wieder hinauskonnte. Das fand Thuna sehr nett von ihm. Als er fort war, setzte sie sich neben Pollux und tröstete ihn.
„Es ist ja nur für drei Tage“, sagte sie. „Dann ziehst du wieder bei uns ein. Aber bis dahin musst du bei deinem schwarzen Bruder bleiben, schließlich verschwindet er ja wieder in dir. Ich hoffe, sie finden ihn bald, bevor er noch mehr Tieren die Kehle durchbeißt.“
Thuna schaute hoch zu dem Blechdach, das Pollux daran hindern sollte, einfach davonzufliegen. Der Herbstwind pfiff durch die Ritzen und es roch nach der ersten Kälte. Seufzend sank Thuna zu Boden und kuschelte ihren Kopf an Pollux’ Rippen. Was half es, eine Fee zu sein, wenn sie ihren Pollux nicht behalten durfte?
Niemand in Sumpfloch ahnte, dass es kein Gehege gab, das den schwarzen Pollux daran hindern konnte, dahin zu gehen oder zu fliegen, wohin er wollte. Er konnte jede Wand und jede Grenze dieser Welt durchdringen, doch er war von Anfang an so klug gewesen, diese Fähigkeit zu verbergen. Er mochte so aussehen wie ein fliegender Löwe, doch in Wirklichkeit war er ein Dämon. Einer, der fast zu seiner vollen Kraft herangewachsen war und den es danach dürstete, seinen Auftrag zu erfüllen. Denn dann – und nur dann – durfte er zu seinem Herrn zurückkehren und diesen töten. Das waren die Regeln.
Doch die Aufgabe, die der schwarze Löwe zu bewältigen hatte, war schwierig. Unlösbar, wenn er nicht bald einen entscheidenden Fortschritt machte. Er wusste, dass der Gegenstand, den sein Herr begehrte, nicht weit von hier zu finden war. Deswegen hatte der Dämon seine Aufmerksamkeit auf Sumpfloch gerichtet. Irgendwo in allernächster Nähe befand sich eine Grenze, die den Dämon in die Reichweite der Verlorenen Gebäude bringen würde. Doch wo war die Grenze? Sechs Nächte hatte der schwarze Pollux danach gesucht, sechsmal vergebens. Nun, da er das Gefühl hatte, dass ihm die Zeit davonlief, ging er dazu über, tagsüber zu suchen. Sollte er dabei ertappt werden, würde er kämpfen. Ohne Rücksicht auf Verluste!
Da sich Thuna weigerte, ihr Raubtiergehege zu verlassen, kehrten die Freundinnen ohne sie ins Innere der Festung zurück. Lisandra war mit Geicko im verfallenen Turm verabredet (sie brannte darauf, ihm die neu erlangten Sternenstaub-Zauberkräfte vorzuführen) und Scarlett hatte es eilig, in Herr Winters Wohnung zu kommen, da Gerald sie dort erwartete. Maria ging in die Krankenstation und setzte sich an Rackinés Bett.
Nachdenklich betrachtete sie ihren schlafenden alten Freund, der dem Stoffhasen, den sie früher mit sich herumgeschleppt hatte, kaum noch ähnlich sah. Er war ihr entwachsen, lebte sein eigenes Leben und nicht mehr das von Maria. Wenn das so weiterging, könnten sie ihn in Sumpfloch einschulen und in die erste Klasse schicken. Er unterschied sich in nichts mehr von den Schülern des ersten Jahrgangs, die vor zwei Monaten in Sumpfloch angekommen waren. Aber Maria ahnte, dass Rackiné
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