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Die Tänzer von Arun

Titel: Die Tänzer von Arun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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und seine Stimme klang bedrückt. »Ich kann ihn anbrüllen, ihn beschimpfen, weil er sein Versprechen gebrochen hat, weil er sich geprügelt hat, als wäre er ein rocho, ein Dieb, und nicht ein Cheari!«
    »Angeschrien hast du ihn früher schon mal«, sagte Arillard. »Ilene ist wahrscheinlich gerade jetzt dabei. Wir alle haben schon mit ihm gebrüllt.«
    »Ich kann ihn verprügeln«, sagte Kel.
    »Würde das was nützen?« fragte Arillard.
    »Er würde es nicht so leicht vergessen«, sagte Kel finster. »Und es würde mir helfen, meiner Wut Luft zu machen.« Seine Stimme wurde schrill. »Arillard, er hätte das Kind umbringen können!«
    Kerris machte sich zum Gehen bereit. »Kerris, geh nicht weg!« rief Kel. Er nickte ihm zu. Kerris trat zu ihm, und Kel schlang ihm den Arm um die Schulter. »Was meinst du dazu?«
    Kerris erinnerte sich an das Entsetzen des Jungen Jeremeth. Er versuchte Zeit zu gewinnen. »Riniard hat gesagt, daß es ihm leid tut.«
    Kel sagte: »Und gestern abend am See hat es ihm ebenfalls leid getan. Und was wird ihm beim nächstenmal leid tun, und beim Mal danach und später dann?«
    Der Wind sang in den Halmen. Arillard kniete nieder und füllte seine Zunderschachtel umständlich mit verdorrten Grashalmen. »Er war noch zu jung, als er zum Cheari ernannt wurde«, sagte er.
    Kels Arm spannte sich. »Ich war mit zweiundzwanzig ein Cheari. Elli ist zwanzig!«
    »Du bist du, und Elli ist Elli. Und keiner von euch beiden ist Riniard.«
    Kel seufzte. Er ließ Kerris stehen und schritt auf die schwarze schweigende Scheune zu. Dann kam er wieder zurück. »Ich wollte, Sefer wäre hier bei uns«, sagte er.
    Arillard sagte: »Kel, diese Straße hat nur zwei Richtungen. Entweder wir behalten Riniard bei uns, oder wir schicken ihn fort!«
    Kel zog die Schultern ein. »Rätst du mir, ihn fortzuschicken? Ist es das, was du willst?«
    »Es ginge mir gräßlich gegen den Strich!«
    »Ich denke genauso. Er gehört zu uns«, sagte Kel. »Er macht das Muster stimmig.« Das Licht des Viertelmondes fiel ihm ins Gesicht. Um den Mund zeichneten sich nervöse Falten ab.
    Spontan griff Kerris im Geiste nach seinem Bruder, versuchte ihn zu berühren, zuckte jedoch vor dem Gemisch von Schmerz, Zorn und Hilflosigkeit zurück ...
    Dann gingen sie den Pfad zurück, durch das Weizenfeld, zurück über den Dorfplatz. Kel sprach den ganzen Weg lang kein einziges Wort. Arillard sagte nichts als: »Ich frage mich nur, was das Dorf als Entschädigung für die Verletzung des Jungen fordern wird.«
    Die Tür zum Gebärhaus stand einen Spalt weit offen. In dem Alkoven im Flur brannte eine Kerze. Sie blieben stehen und zogen sich die Stiefel aus. Kerris holte sich eine ganze Lunge voll von dem süßen Gewürzkräuterduft.
    Sie traten in den Schlafraum. Es war schwül und irgendwie eng in dem zwei Zimmer großen Raum. Cal und Jensie waren noch nicht zurückgekehrt. Ilene stand an einem der Fenster. Als sie eintraten, neigte sie den Kopf und zog ein mürrisches Gesicht. Elli hockte auf einer Matte und schliff mit raschen Strichen ihr Messer. Ihr Gesicht wirkte ernst. Riniard stand Ilene gegenüber. Das Licht aus der Schale neben Ellis Knie reichte nicht bis zu ihm hin: er wirkte wie ein Schatten, wie ein Gespenst. Das Schweigen glühte.
    Arillard fand eine zweite Kerze. Er bückte sich und entzündete sie an der Flamme in der Schale und steckte sie in einen Wandhalter. Kerris schaute zu Riniard hinüber. Der Rothaarige war bleich, und unter seinen Augen zeichneten sich schwarze Halbmonde ab. Er blickte zu Kel und sagte: »Also, los!?« Es klang heiser. Die Erbärmlichkeit und das Elend in seiner Stimme und seiner Haltung trafen Kerris wie ein Hieb.
    Er empfand Scham, Elend, Trotz und Angst ... Ein träges, verdrossenes Gewirr, und die Angst kroch schlangengleich und zuckend in sich selber zurück ... Es hat keinen Sinn. Ich werde nie der sein, den sie sich wünschen. Ich bin ein Schwächling, ihrer unwürdig, es tat weh, ich liebe sie, und es tut weh, sie werden mich fortschicken müssen, sie werden es tun müssen, besser bald als später, besser gleich, sofort ... Wer bist du??? Laß mich los! Geh raus aus mir!
    Kerris zog sich aus ihm zurück.
    Er lehnte sich gegen die Wand. Der Kopf tat ihm weh, und sein Sehvermögen verschwamm auf vertraute Weise. Er griff nach seinem Bruder, vereinigte sich mit ihm und kehrte erneut in Riniards Inneres zurück. Es war, als träte er in ein Schlangennest. Siehe da! sagte er zu Kel. Er hielt sie

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