Die Tänzer von Arun
frech geworden und überfielen Trecks auf den Straßen ebenso wie die Dörfer. Ich sah es nicht gern, daß Alis aus Elath weggehen wollte. Aber Kerwin bestand darauf, daß sie in den Norden zog, das war ebenso sehr deinetwegen wie um ihrer selbst willen, Kerris, und er wollte nicht auf den Zukunftsseher hören, der gesagt hat, sie soll lieber nicht fortgehen. Er heuerte Söldner zur Bewachung des Zuges an – immerhin das tat er, Männer und Frauen aus der Stadtwache in Mahita, die bereit waren, ihre eigenen Häuser zu verlassen und in den Norden zu ziehen.«
Paula hatte ihm nie gesagt, aus welchem Dorf oder welcher Stadt sie stammte. »Kamen sie alle aus Mahita?« fragte Kerris.
»Ich glaub schon. Ein paar von ihnen waren skuthi, das sind Deserteure. Aber sie haben Kerwin den Treueeid geschworen, und sie haben ihr Wort gehalten!«
Kerris sagte: »Eine von ihnen hat mich den ganzen Weg bis Tornor Keep auf den Armen getragen.«
»Ja, das haben wir gehört – aber erst viel, viel später.«
Kerris fragte: »Wann habt ihr zuerst etwas von dem Überfall gehört?«
Ardith rollte einen Stein zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. »Zwischen Geschwistern besteht eine Bindung, besonders wenn es Hexenkinder sind und eins von ihnen die Innere Sprache hat. Als der Angriff begann, koppelte sich Alis über die Äcker hinweg mit meinem Gehirn. Ich war da oben und stand Wache, genau wie Meda es jetzt tut. Man hat mir erzählt, daß ich umfiel und stundenlang nicht sprechen wollte. Ich habe durch ihre Augen gesehen, als es geschah. Und ganz zum Schluß spürte ich, wie sie starb.«
Über dem Weizen trieben Glühwürmchen wie winzige Sterne dahin. Sie gingen ins Haus. Im Zimmer war es warm und hell von dem Licht dreier Ölflammen in Schalen, und es roch nach Küchendunst. Tazia war heimgekehrt. Sie aßen, um den Tisch geschart. Mitten während der Mahlzeit kam Meda zurück. Sie war hochgewachsen und schlank und wild. Sie begrüßte Kerris höflich, aß und setzte sich dann an den Herd, um ihre Speerspitzen zu schleifen. Die Abu schnarchte.
»Wie steht's da draußen?« fragte Ardith.
»Zur Zeit ruhig«, antwortete Meda.
Kerris lag in die Kissen zurückgelehnt; sein Bauch war prall von dem Hasenragout. Er fühlte sich äußerst zufrieden und bequem, als Reo sich an ihn wandte: »Cousin?«
Er erklärte, einer seiner Freunde aus Elath sei Lehrling bei einem Silberschmied in Kendra-im-Delta. »Ich wollte ihm einen Brief schicken, und ich wollte Meritha bitten, ihn für mich zu schreiben. Sie schreibt die Berichte für den Rat. Aber ich hab' mir gedacht – vielleicht macht es dir ja nichts aus –, du könntest es für mich tun. Gleich jetzt.«
»Aber es macht mir gar nichts aus«, versicherte Kerris.
»Meritha ist alt, und ihre Hand zittert.«
»Meine Hand wird nicht zittern«, sagte Kerris. Er lächelte, als er daran dachte, was Josen zu einer verwackelten Schreibschrift gesagt haben würde. »Kann dein Freund denn lesen?«
»Nein. Aber er kann jemand bitten, es für ihn zu lesen. Ich will ihm nur einen Gruß schicken und ihm sagen, daß er mir fehlt.«
»Hast du Tinte und einen Federkiel und etwas, auf dem ich schreiben kann?« Dies allerdings erwies sich als etwas schwieriger. Tazia rannte hinaus zum Geflügelpferch, um eine Truthahnfeder für den Schreibkiel zu holen. Lea schlug ihm vor, er könne eine ihrer dunkelblauen Glasuren verwenden. Und Meda steuerte ein Stück weißes Tuch bei, das sie sich aufgehoben hatte, weil sie es besticken und als Teil eines Hemdes verwenden wollte. Vom Hof hörte man das empörte Gezeter der Hühner, die aus der Ruhe gestört wurden. Triumphierend kehrte Tazia mit zwei roten Schwanzfedern zurück, die sie fest in der schmuddeligen Faust hielt.
Lea holte einen Stofflappen hervor, auf dem Kerris es zunächst einmal ausprobieren sollte. Reo schnitt die Federkielspitze nach den Anweisungen Kerris' scharf zu. Aber die Glasur wollte dort nicht haften. In seiner Verzweiflung drehte Kerris die Feder um und benutzte die Federlamellen wie einen Pinsel. Das Tuch nahm die Striche dick und deutlich an. Reo jubelte. »Was soll ich sagen?« fragte Kerris. Selbst Meda unterbrach ihre Arbeit und schaute zu. Fasziniert stemmte Talith beide Ellbogen auf die Tischplatte. Reo schubste ihn zurück.
»Du bringst den Tisch zum Wackeln«, sagte er.
»Das tu' ich nicht!« Talith wurde rot vor Zorn.
»Für Dev-no-Demio, Lehrling bei dem Schmiedemeister Tian, in der Goldschmiedegasse zu
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