Die Tänzer von Arun
trug einen Strohhut. Seine Füße waren genauso schmutzig wie die Tazias. »Ich bin Reo«, sagte der Junge. Er hatte eine tiefe Stimme. Kerris wurde klar, daß er der ältere der beiden Jungen war. Der andere bewegte sich mit der schlaksigen Unbekümmertheit eines Knaben, und er hatte auch kein Messer am Gürtel. »Der da ist Talith.«
»Ich bin Kerris.«
Der Jüngere drehte sich zu ihm um. »Hallo«, sagte er. Seine Haut war röter als die seines Bruders. »Ich hab' dich gestern beim Waffenhof gesehen.« Sein Blick schweifte unsicher über Kerris' Armstumpf und wanderte dann zu seinem Gesicht zurück.
Ardith sagte: »Ich habe geglaubt, ihr seid beim Jäten.«
Reo entgegnete: »Du hast gesagt, du kommst gleich zurück.« Der Mann und der Junge lächelten einander zu. Beider Lächeln ähnelte sich erstaunlich. Kerris vermutete, daß Reo der Liebling seines Vaters sein müsse und Talith der seiner Mutter. Wie beiläufig lehnte sich der ältere Junge an den Tisch und nahm sich einen Fetuchstengel aus der Schüssel. Das Gemüse entwand sich seinen Fingern und landete mit einem Plopp wieder in dem Gefäß.
»Ich bring welchen mit«, sagte Ardith. »Und nun, raus mit euch!« Talith kicherte und schnitt Reo eine neckende Fratze.
»Hast du das Baby kennengelernt?« fragte der jüngere Bruder.
»Gib deiner Schwester keine Spottnamen«, sagte Lea. »Vorhin war sie noch hier. Jetzt ist sie im Tanjo.«
»Und lernt Felsbrocken nach den Asech schmeißen. Boing!« Talith vollführte pantomimisch das Werfen eines unsichtbaren Steines. Reo packte seinen Bruder am Gürtel und zog daran. Talith quäkte und klappte in der Mitte zusammen, und Reo zog ihn hinter sich drein nach draußen.
Ardith sagte: »Ich sollte auf den Acker zurückgehen.«
»Dann geh doch«, sagte Lea.
»Hast du Lust mitzukommen?« fragte Ardith Kerris.
»Wenn ich darf«, sagte Kerris.
Lea stemmte die Hände gegen die Hemdbrust ihres Mannes. »Sag mir, wo ihr hingeht«, befahl sie.
»In den Weizen am Hochhang, eine Mauer ausbessern«, sagte Ardith. Er strich mit der Handfläche über die Wange seiner Frau. »Sie kommen nicht bei Tageslicht, nika!«
Leas Stimme war rauh wie der Winterwind, als sie sagte: »Sie sind aber früher schon bei Tag gekommen!«
Die kaputte Umzäunung war eine Steinmauer. Brusthoch verlief sie zwischen dem Feld mit Winterweizen und der Weide, auf der die schwarzweißen Rinder grasten, die Köpfe alle in eine Richtung gewandt, das Hinterteil der Sonne zugedreht. An einer Stelle der Mauer waren Steine herausgebrochen und den Hang hinabgerollt. Kerrith half Ardith sie einzusammeln. »Die Kühe reiben sich an ihnen, wenn es sie juckt, und natürlich auch, weil sie an den Weizen gelangen wollen«, erklärte der Bauer. »Wenn sie sich reiben, werden die Steine locker.« Er hob einen Brocken auf, drehte ihn um und legte ihn auf die Mauer zurück.
»Kann ich was helfen?« fragte Kerris. Der dunkle Mann schüttelte den Kopf. Behutsam setzte er die herabgerollten Steine wieder an ihren Platz, genau in die Lücken, aus denen sie gefallen waren. Einige der Brocken verursachten ihm einige Mühe, als er sie hochhob, aber er unterbrach seine Arbeit nicht, um sich Handschuhe anzuziehen. Als Ardith den schwersten Steinbrocken zurücksetzte, sah Kerris, daß Blut unter einem angerissenen Fingernagel hervorquoll. Ardith saugte die Wunde sauber.
»Es ist nichts«, sagte er.
»Könntest du das auch mit deinem Kopf machen?« fragte Kerris scheu.
Ardith lächelte ein wenig. »Steine werden nicht gewichtslos, wenn ich sie mit dem Willen bewege.« Er deutete auf den Boden. Ein Steinchen flog spiralig aus dem Staub auf wie eine Wachtel von ihrem Nest, blieb in der Luft vor Kerris' Nase stehen und fiel wieder zu Boden. »Das ist leicht. Aber schwere Sachen sind anstrengender. Sie machen mich rasch müde.«
Dann stiegen sie wieder den Hang hinunter. Die Weizenähren standen stolz auf ihren Halmen, höher und goldener als der fahle Nordlandweizen. Um die Halme wanden sich blaublühende Winden. Es roch überall nach dem pflanzennährenden Kuhdung. Kerris fragte: »Könnte man wirklich mit Steinen nach den Räubern werfen? Ich meine, auf diese Weise?«
»Möglich wäre es«, antwortete Ardith. »Steine oder auch Speere. Aber sogar Tazia weiß schon, daß wir das nicht tun. Es wäre schrecklich, wenn wir die Gabe des chea anwenden würden, um zu verletzen, um Krieg zu machen!«
Dann stießen sie zu den Jungen auf dem Acker. Ardith machte seinen Sack
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