Die Tänzer von Arun
Blick. Er nickte. »Du kannst bei uns bleiben, wenn du magst.«
Er wußte, das sagten sie um seiner Mutter willen und zu ihrem Andenken. Dennoch war er gerührt von dem Anerbieten. Sie hätten es keineswegs tun müssen. »Ich danke euch«, sagte er. Seine Zunge fühlte sich dick an. Das mußte von dem Himmelskraut kommen. »Ich ... ich weiß nicht ...«
»Brauchst es uns ja nicht gleich zu sagen«, sagte Ardith. »Das Angebot bleibt bestehen.« Seine Augen schauten ihn warm an. Kerris dachte bei sich: er ist überhaupt nicht wie Morven. Dann lehnte er sich in seine Kissen zurück und fühlte sich träge und traurig zugleich.
Tornor schien so weit weg zu sein, viel weiter als die nackten Ausmaße der Entfernung und Tage. In seinem Gehirn konnte er hören, was Josen zu diesem Angebot sagen würde: Es wäre Verschwendung, wenn du auf einem Bauernhof bleibst, Kerris! Geh nach Kendra-im-Delta. Du bist ein Schreiber ...
Ich bin ein Hexer, sagte er zu sich selbst in seinem Kopf, so als ob der alte Gelehrte ihn hören könnte. Ich habe hier Familie und Menschen, die mich mögen. Er hörte Reos Füße auf der trockenen Bodenmatte. Das Gesicht des Wächters – heiter, gelöst und unauslotbar – kam ihm in den Sinn. Es ließ ihn an Kel denken. Er überlegte sich: Angenommen, ich sage es ihm? Er wird mich auslachen. Aber dann wußte er, daß sein Bruder nicht über ihn lachen würde. Er starrte aus dem Fenster auf das Muster der Sterne hinaus. Beinahe war er entschlossen, seinen Verwandten zu sagen: Gut, ich bleibe, und wir werden sehen, was dann geschieht. Er hob die Hand und wollte nach dem Weinschlauch in Reos Armbeuge greifen.
In dem Moment explodierten die Sterne.
8. Kapitel
Feuer-Furcht-Feuer-Furcht-Feuer! – die Begriffe kreischten und tobten durch Kerris' Hirn. Er stand und konnte sich nicht erinnern, aufgestanden zu sein. Rauch und der Gestank von verbrennendem Öl stachen ihm bitter in den Nüstern. Lea redete beruhigend auf Tazia ein: »Scht, mein Kleines, scht, chelito, es ist gut, es ist ja gut.« Sein Kopf dröhnte von der Wucht der Warnung. Schweiß troff ihm die Flanken herab. Die Botschaft hämmerte weiter auf ihn ein: Feuer-Furcht-Feuer ...
»Das ist ein Überfall«, sagte Ardith. Seine Stimme klang gepreßt. »Sie kommen wieder.«
Reos Gesicht verlor alle Farbe. Kerris begriff, daß er die Warnung nicht vernommen hatte, auch Talith nicht. Meda schoß an ihm vorbei, den Speer in der Faust. Mit weit ausgreifenden Schritten rannte Ardith die Stiege hinauf und kehrte mit zwei Schwertgurten zurück. Die eine Waffe war ein Langschwert. Er reichte Lea die andere – einen Kampfdolch.
Ein Horn stöhnte – die Töne drangen rein und klar – die gleiche Melodie, wie sie das Horn des Wächters auf Tornor blasen würde, um vor einem Angriff zu warnen: Pah-PAH, pah-PAH-pah ...
Reo sagte: »Vater, kann ich mit dir gehen?«
»Nein!« sagte Ardith. »Wenn die Mordbrenner in diese Richtung kommen, dann sind hier zwei Leute nötig: einer, um die Kinder zu schützen, der andere, um die Abu zu tragen. Wenn sie kommen, verzieht euch unter die Bäume! Blast die Chobalichter aus! Das macht es ihnen schwerer, das Haus zu finden.« Er gürtete sich das Langschwert um, und Kerris sah ihm dabei zu. Im Waffenhof auf Tornor hatte er Männer und Frauen beim Training mit Holzschwertern gesehen, aber er hatte noch nie jemand ein richtiges Schwert tragen sehen. Ardith sah seinen Blick und sagte: »Bei den Kämpfen an der Grenze habe ich mit dem Schwert gekämpft.«
Sie verließen das Haus. Immer noch rief das Horn, schmerzhaft klar. Ardith rannte leichten Fußes den Pfad hinab, das Schwert schaukelte, und er legte die Hand ans Heft, um es zur Ruhe zu bringen. Kerris folgte ihm auf den Fersen. Er fühlte sich gelenkig wie eine Berggeiß. Auch das, vermutete er, mußte von dem Himmelskraut herrühren. Das Licht des Sichelmondes ließ den Staub schimmern. Düster ragten die Zypressen über dem Weg auf, dunkel, schattenhaft, hoch. Wo das Mondlicht auf die Birken fiel, schimmerten die Zweige silbern.
Kerris' Stiefel waren nicht zum Laufen gemacht. An seiner linken Ferse begann eine Blase anzuschwellen. Aber er zwang sich, an der Seite seines Onkels zu bleiben, denn er wußte, wenn er zurückfiel, würde er den Weg verlieren und sich zwischen den Bäumen verirren. Sie rannten ins Dorf hinunter. Gestalten, zielstrebige Schatten huschten an ihnen vorbei zu den ihnen angewiesenen Wachtposten hin. Als sie die Straßen
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