Die Tänzerin auf den Straßen
einfach. Sie ist treu und akzeptiert alles, wie es ist, ohne eine Frage zu stellen.
Früher hätte ich nicht geglaubt, dass es diese Art von Liebe zwischen einer Frau und einem Mann geben kann. Hingabe, um sich ineinander zu verlieren. Seinen Namen vergessen, weil jede Berührung einen neuen Namen erschafft, erschaffen muss, weil man in die Seele des geliebten Menschen eintaucht wie in einen See und davon trinkt. Das Wasser der Veränderung, wie im Märchen.
Ich denke an unsere erste wirkliche Berührung. Du wolltest, dass ich ein durchsichtiges Kleid aus blauer Chiffonseide anziehe und mich vor dich hinlege. Du stecktest mir eine rote Blüte ins Haar und setztest dich neben mich. Ich sollte die Augen schließen. Du hast nichts getan, nur dagesessen und mich betrachtet. Meine Nacktheit betrachtet unter dem zartblauen Kleid und meinen Körper bewundert. Du hast meine Schönheit gefeiert, indem du mich Stunden betrachtet hast.
Die Wirkung war unglaublich. Mein ganzer Körper wurde eine einzige Erregung, weit offen und bereit zur Leidenschaft. Wie eine Blüte, die sich unter der Wärme der Sonne entfaltet. Meine Körpergrenzen lösten sich auf, Schweiß und Tränen vermischten sich mit meiner und deiner Hitze, doch du hast mich einfach nur betrachtet, und ich konnte mich betrachten lassen. Erst hatte ich Angst, so gesehen zu werden. Ich hatte Angst, erkannt zu werden bis tief in meine Verletzungen hinein. Hatte mich ein Mann je so betrachtet?
Auf einmal wusste ich, dass ich eine Frau bin, eine Schönheit mit meinen Narben, dem gelebten Leben und allen Erfahrungen und der Unschuld in meinem Herzen, voller Vertrauen, trotz aller Verletzungen.
Deine Liebe hat mir Schönheit gegeben und Vollkommenheit. Noch Tage danach war ich in dieser heiligen Erregung, in einer Leidenschaft und Lust ohnegleichen.
Geliebter Leon, Geliebter! Liebe hat, glaube ich, etwas mit Offenheit und Aufmerksamkeit zu tun. Der Hund war anwesend, hat gewartet auf mich und mir die Krankheit aus dem Körper genommen. Ich habe mich hingegeben.
Es braucht Demut, sich lieben zu lassen...
Schritt... Schritt... Gehen... Gehen...
Das Gelände um Ponferrada war ursprünglich ein Templergebiet, heute dient es dem Weinanbau. Die alte Templerburg gab mir gefühlsmäßig wenig, viel hingegen die sonntägliche Stimmung in den Gassen und die Heiligkeit der Weinerntezeit.
Alle Familien waren in den Weinfeldern und ernteten die vollen Reben mit den Händen. Ich sah und fühlte die Heiligkeit dieser Handlung — sie lag in der Luft.
Dieses Gefühl durchdrang mich total, es war mir, als gäbe es nichts Größeres als diese Ernte. Ich setzte jeden Schritt bedächtig, um diese Stimmung zu genießen.
Es ist Neumond, und ich fühle noch die Schwäche der Krankheit in meinem Körper.
I m Neumond,
wenn die schweren Schatten
in den Traumwipfeln schweben,
trocknet der weiße Schwan sein Gefieder.
Findet unter den Nachtflügeln
den Geschmack der süßen Kastanien,
die Bewegung der sanften Gazelle
unter seinen Augenlidern.
Er hängt sein Schattengewand
in die trauernde Weide
und gibt seine Kraft hin
an die Wellen
der Flusshaut unter seinem Leibe.
Schritt um Schritt... Gehen... Gehen...
Es ist Montag, der 3. Oktober. Neumond und eine Sonnenfinsternis, in Spanien gut sichtbar, weil die Sonne schien und der Himmel wolkenlos klar war. Ich war in Villafranca, der Stadt, wo all den Pilgern, die auf dem Weg krank gewesen sind, die Sünden im Voraus vergeben werden. Wie immer mied ich die Kirchen.
Ich hatte vergessen, welcher Tag war, und auch nicht mehr an die Sonnenfinsternis gedacht. Ich war hoch in den Bergen, hatte in der Stadt auf einer Parkbank gegessen und fürchterlich gefroren. Die Höhe machte das Klima kalt. Gerade als ich die Stadt verließ, verfinsterte sich die Sonne. Es war gegen elf Uhr. Die ganze Umgebung war eingehüllt in ein grünliches Licht eine mystische Stimmung. Ich erinnerte mich jetzt, von der Finsternis gelesen zu haben. Ich setzte mich an den Straßenrand und schaute mit bloßem Auge in das Ereignis. Wieder einmal war ich zutiefst bewegt von der Natur und ihren Kräften, der Schönheit und dem Zusammenspiel aller Wesen, Dinge und Erscheinungen.
Das Schauspiel am Himmel wirkte gewaltig auf meine Seele!! Wie eine große Welle durchfloss mich dieses heilige Ereignis. Ich lag im Gras, blickte stundenlang ohne dunkle Scheibe zum Himmel und war glücklich, das auf dem Jakobsweg erleben zu dürfen — jetzt, da alles viel stärker auf
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