Die Tänzerin auf den Straßen
einem jeden brennt ein Kuss
für dich ganz still,
wenn du zu dunkler Stunde
am Fenster stehst und auf mich wartest...
als käme durch die Gartenpforte
entlang des Rosenweges
mein Schatten leicht,
dich zu umarmen.
Gezaubert durch des Mondes Tanz
und Sternensinfonienglanz,
erscheine ich dir schön vollendet.
Schau nur viel länger hin
mit deines ganzen Leibes Sinnen...
Du wirst mich finden
neben dir.
S teine am Wege.
Sie scheinen seltsam verloren.
Einzeln und einsam
reden sie zu mir.
Mit müden Füßen
sitze ich wie sie an den Straßen,
die mir das Leben bestimmte —
oder auch nicht?
Wie lange müssen Steine warten?
Wer zeigt mir meine Richtung?
Führen alle Wege zum Meer?
Schritt... Schritt... Gehen... Gehen...
Die Landschaften wechselten. Es war spannend, durch die verschiedensten Gebiete Nordspaniens zu laufen und Menschen, Traditionen, Baukulturen, Geschichten und Gepflogenheiten zu erleben.
Ich lernte herrliche Menschen kennen: Barbesitzer, Einheimische in den Gassen, Hüter der Herbergen...
Einmal, in einem winzigen kastilischen Dorf, hörte ich klassische Musik und ging ihr nach. Ich kam in eine Bar und sah den Alten, dem das Café gehörte und der eine CD nach der anderen auflegte.
Musik war nach den Strapazen auf den Straßen, der Härte und den vielen Herausforderungen wie eine warme Dusche für die Seele. Ich setzte mich hin, schloss die Augen und nahm die Klänge auf mit Haut und Haar. Ich wurde weich, löste mich auf unter den Geigen von Max Bruchs Violinkonzert. Der Mann legte weitere CDs auf, ich blieb, trank einen Café nach dem anderen und hörte ein Konzert von zwei Stunden. Andere Pilger kamen und gingen. Ich saß und hörte mit geschlossenen Augen zu. Der Mann war glücklich und ich auch. Wir zwei konnten kein Wort miteinander sprechen, aber unsere Herzen verstanden die Sprache der Musik und fanden sich in ihr. Die Landschaft Galiziens war für mich die schönste. In den Bergen keltische Kultur, alte Süßkastanienhaine mit uralten Bäumen, Riesenfarne, rosa Heidekraut... mystisch. Die Dörfer alt, oft verlassen. Viele Hunde, vor denen sich alle fürchteten, die mich zum Glück in Ruhe ließen.
Ich fühlte mich immer wohler dabei, unterwegs zu sein. Die Kilometer nahmen ab, das gab Hoffnung. Bisher war ich nicht ernsthaft krank gewesen. Oft hatte ich einen Glücksrausch nach den Anstrengungen. Es ging hoch in die Berge hinein und wieder runter... Glückshormone von innen! Ich erinnerte mich an die Geburten, nach denen es mir genauso ging, oder an die Zustände, nachdem ich lange getanzt hatte.
Cruz de Ferro
Cruz de Ferro ist das Kreuz, wo die Sorgensteine aus der Heimat abgeworfen werden. Es steht auf einer Bergspitze (1504 Meter hoch) inmitten der Leoner Berge, einem alten keltischen Gebiet.
Vorher war ich durch viele verlassene Dörfer gelaufen.
Das Dorf Foncebadón beeindruckte mich tief. Es steht auf einer Bergspitze, von wo der Blick frei in alle vier Himmelsrichtungen geht. Man kann weit in die Berge hinein und in die Ebenen sehen. Die Häuser fallen ein, doch sind da junge Familien, die sie nach keltischer Art wieder aufbauen und Herbergen und Kneipen darin gründen. Dort hätte ich bleiben können!
Jedenfalls kletterte ich an diesem Tag in den frühesten Morgenstunden auf den Berg, um den Sonnenaufgang beim Cruz de Ferro zu erleben und meinen Sorgenstein abzuwerfen. Ich schleppte einen Stein für meine kranke Freundin nach oben, die das vierte Mal im Krankenhaus lag und sich eine Wucherung entfernen ließ.
Oben blühten die Herbstzeitlosen hingestreute violette Tupfer auf dem verbrannten Gras.
Ich bin glücklich! Ich sehe einen Adler in den Morgen hinein aufsteigen. In der Ebene geht blutrot die Sonne auf. Ich weine aus tiefster Freude und im Glücksrausch. Ich fühle mich jung, stark und schön — bereit, mein Leben mit all seinen Herausforderungen anzunehmen.
Ich tanze. Ich singe. Ich werfe die Steine ab. Welch ein Augenblick!
Wieder das Gefühl von absolutem Erfülltsein!
Zwei Drittel des Weges sind geschafft. Es heißt, die Transformation hat begonnen. Es ist mein 22. Wandertag und der 30. September. Die Tage sind immer noch sehr heiß.
An diesem Tag kam ich in das verlassene Dorf Manjarín. Ich wusste, dass hier Tomás lebt, der 1993 nach Santiago wollte und in den Bergen von Leon geblieben war. Er behauptete von sich, der einzige und letzte Tempelritter zu sein. Die Herberge empfing mich eigenwillig und schmutzig. Geschirr von Tagen in der Küche.
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