Die Tänzerin im Schnee - Roman
Übersetzen interessiere ich mich sehr, nicht nur, weil ich, wie alle Schriftsteller, Sprache und Wörter liebe, sondern auch, weil es etwas mit Deutung und Sinngebung zu tun hat. Und zwar geht es über das Linguistische hinaus auch darum, wie eine Geschichte oder eine Figur gedeutet oder eben missdeutet wird. Im Roman spielt Übersetzung so eine wichtige Rolle, weil sie ein Akt des Einfühlens ist. Man muss sich dafür die Absichten eines anderen Menschen vorstellen können. Darin liegt viel Selbstlosigkeit, es ist das Gegenteil von Narzissmus. Grigori ist auf diese Weise einfühlsam, nicht nur als Übersetzer,sondern auch in seinem alltäglichen Leben. Er versucht wirklich, die Dinge zu verstehen. Er versetzt sich in Zoltan hinein, er bemüht sich, Ninas Perspektive einzunehmen, und er versucht sich vorzustellen, was in Drew vorgehen muss. Und am Ende nimmt er sich vor, den Tagebuchschreibern eine Stimme zu geben.
Nina selbst verbringt ihr halbes Leben in Übersetzung, ohne ihre Muttersprache. Sie spricht sehr gut Englisch, doch man ist niemals die vollständige, »wahre« Version seiner selbst, wenn man sich nur mit einem Akzent oder mit einem begrenzten Vokabular mitteilen kann. Als Schriftsteller kennt man das Gefühl, wenn die eigene Arbeit interpretiert wird. Man liest etwa, wie ein Rezensent die Geschichte zusammenfasst, und möchte ausrufen: »Aber darum geht es doch gar nicht!« Doch es ist zu spät, es liegt nicht mehr in der eigenen Hand.
In
Die Tänzerin im Schnee
treten eine Reihe faszinierender Figuren auf. Haben diese unterschiedlichen Charaktere reale Vorbilder?
Nina basiert in mancher Hinsicht auf meiner ungarischen Großmutter. Sie ist heute 93 Jahre alt und ebenfalls eine äußerst starke Persönlichkeit, in der ich Ninas feurige Kraft wiedererkenne. Meine Großmutter ist zwar fröhlicher und liebevoller als Nina, aber wenn sie einmal entschieden hat, dass sie jemanden nicht leiden kann, dann bleibt sie dabei. Sie ist sehr eigenwillig und ich habe mitbekommen, wie sie bestimmte Menschen zu ihren Feinden erklärt. Diese Eigenschaft hat mich schon immer fasziniert.
Gibt es etwas, dass bei der Arbeit an diesem Buch einen besonders bleibenden Eindruck bei Ihnen hinterlassen hat?
Ich habe mich jahrelang mit der Welt des stalinistischen Russland beschäftigt, und dabei hat mich besonders beeindruckt, wie hoch die sowjetische Regierung die Macht der Kunst eingeschätzt hat und wie sehr sie die Künstler und ihre Arbeit manipulierte. Ebenfalls sehr betroffen machte mich die Erkenntnis, welche tiefgreifenden Auswirkungen jede neue Regierungsentscheidung damals auf alle Gesellschaftsschichten hatte. Ich habe in meinem Roman versucht, diese Lebenswirklichkeit in den Erfahrungen meiner Figuren zu zeigen,und ich hoffe, dass ich es in einer Weise getan habe, die dem Leben so vieler realer Menschen und Familien gerecht wird.
6. KLEINES GLOSSAR DER BALLETTBEWEGUNGEN
ADAGIO: Der Begriff stammt aus dem Italienischen und bedeutet langsam oder leise. Im Ballett bezeichnet Adagio eine ausdrucksstarke und langsame Ausführung von Bewegungsvariationen.
ARABESQUE: Die Arabesque ist eine Ballettposition, bei der die Tänzerin auf einem Bein steht und das Spielbein hinter sich gestreckt in der Luft hält oder auf dem Boden absetzt (Arabesque par terre). Dabei können die Arme unterschiedliche Haltungen einnehmen.
BATTEMENT: Französisch für »Schlag«. Bei dieser Übung wird das Spielbein nach vorn, zur Seite oder nach hinten geschlagen. Das Ballett kennt zehn verschiedene Versionen des Battements, die jeweils eine unterschiedliche Bewegung bezeichnen. Beim Battement tendu behalten beide Beine den Bodenkontakt, beim Grand Battement jeté hingegen wird das Spielbein so hoch wie möglich in die Luft geworfen.
BOURRÉE: Eine schnelle, trippelnde Bewegung mit den Füßen, die dazu dient, den Zuschauer eine beinahe schwebende Überquerung der Bühne glauben zu machen. Das Augenmerk liegt dabei auf einer ausdrucksvollen Armbewegung.
CHAÎNÉ: Chaînés bezeichnen schnelle Drehungen, die in einer geraden Linie oder im Kreis ausgeführt werden. Dabei öffnet ein Bein leicht in die vorgegebene Richtung und mit dem Schwung, der beim Schließen des anderen Beins entsteht, erfolgt die Drehung.
CHASSÉ: Chassé bedeutet »gejagt« oder »verfolgt«. Der Schritt kann in verschiedenen Kombinationen durchgeführt werden. Allen gemeinsam ist jedoch, dass die Tänzerin ins Plié geht und den
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