Die Tänzerin von Darkover - 9
das farb- und lichtlose Ding dienen sollte.
Aber als Donald es hochhob und anschaltete, hielt sich die Göttin eine Hand schützend vor die Augen. Eines der Kinder schaute auf und rief »Mama! Mama!« und wollte losrennen, um Raquel zu umarmen.
Das Lichtnetz war inzwischen verloschen, und nur ein violetter Mondstrahl drang durch eine zersprungene Fensterscheibe und erhellte die Szene. Donald lief vorsichtig um den Altar der Göttin, der sich als einfaches Sofa herausstellte, und entfaltete den Schirm ganz. Dann stellte er ihn in sicherer Entfernung auf einen Fenstersims – es war ein telepathischer Dämpfer!
Die Frau lag auf dem Sofa und hielt sich jetzt beide Hände vors Gesicht. Eine füllige, weißhaarige Gestalt mit leerem, ausdruckslosem Blick, jetzt zweifach blind, da der Dämpfer ihr Laran lahmlegte. Sie stöhnte und stieß eine Reihe wirrer Laute aus, wie jemand, der die menschliche Sprache nie vernommen hat. Die Kinder weinten und rückten immer mehr von ihr ab. (Die silbrigen Totengestalten waren verschwunden, und niemand konnte sie –nicht einmal in Gedanken – zurückholen.) Eines der Kinder stand mit abgewandtem Gesicht und starrer Haltung neben dem Sofa.
»Anndra«, rief Grey.
Das Kind schaute erschrocken auf, sagte dann aber scheinbar unbekümmert und in umgangssprachlichem Terra: »Hi, Dad, was machst du denn hier? Ziemlich kalt, oder?«
»Komm schon«, forderte Grey ihn auf, legte seine Hand auf die Schulter des Jungen und führte ihn weg. Als sie an Raquel vorbeigingen, die allein auf dem vom Mondlicht beschienenen Flecken stand, blickte Grey sie eindringlich an. »Komm schon«, sagte er auch zu ihr. »Wir müssen miteinander reden.«
»Wer ist – SIE?« fragte Donald. »Hat sie hier gelebt?«
»Ich glaube schon«, antwortete Marguerida. »Wahrscheinlich hat man sie vor dem Gerede der Nachbarn versteckt. Aber dann ist Bran an der Seuche gestorben, und die Diener haben sich aus dem Staub gemacht und sie einfach zurückgelassen – falls sie überhaupt etwas von ihrer Existenz gewußt haben. Da blieb ihr nur eines: Mit ihrem Laran mußte sie Menschen finden und an sich binden, die sie ernährten und sich um sie kümmerten. Was sie ihnen geben konnte, das war Liebe. Und so sind diese Kinder zu ihr gekommen.«
»Die meisten davon sind Jungen«, bemerkte Donald. »Terranische Anthropologen haben schon lange herausgefunden, daß die glühendsten Anhänger von Kulten um eine Gottesmutter Männer sind. Das gilt ganz besonders für Kulturen, in denen die Knaben schon früh von ihren Müttern getrennt werden und sich in einer Männerwelt behaupten müssen.«
Einer der terranischen Wachmänner war den Flur zurückgegangen, um die Taschenlampen zu holen, die zum Glück noch funktionierten. Eine davon gab er Grey, vermied es aber dabei, seinem Vorgesetzten in die Augen zu schauen. Lord Regis rieb sich mit einer Hand die Schläfe und befahl seinen beiden Männern, nach brauchbaren Materialien zu suchen, aus denen man eine behelfsmäßige Trage für die Frau machen konnte. »Wir müssen sie so schnell wie möglich wegbringen und isolieren, damit wir diesen Dämpfer wieder ausschalten können.«
»Das war wirklich schlau von dir, Donald«, lobte Marguerida, »an einen Dämpfer zu denken.« Sie saß auf der Ecke des Sofas und streichelte das verfilzte Haar der unglückseligen Frau; es war die einzige Form der Mitteilung, die sie erreichte. Pater Yoshida hatte die verstörten Kinder fortgeführt und sie in einer Ecke um sich versammelt. Er erzählte ihnen von Maria.
Donald lächelte beim Lob seiner Herrin stolz. »Diese Dämpfer waren eine der ersten darkovanischen Apparaturen, die ich kennengelernt habe. Als ich erst einmal herausgefunden hatte, wozu sie dienen, erschien es mir nur logisch, einen mitzunehmen. Damit wir alle die gleichen Chancen haben.« Er betrachtete das fahle, mit Blindheit geschlagene Gesicht der Frau. »Für sie bedeutet das natürlich etwas ganz anderes. Kann man denn gar nichts für sie tun?«
»Vielleicht können die anderen Telepathen auf der Burg zu ihren Gedanken vordringen. Und die terranischen Ärzte können vielleicht ihr Seh- und Hörvermögen wiederherstellen, damit sie sich nicht nur auf ihr Laran verlassen muß.«
»Eine ganz besondere Form von Laran«, erklärte Regis. »Die Alton-Gabe des erzwungenen Rapports. Ich frage mich, wie diese Frau sie erlangen konnte.«
»Vielleicht auf die gleiche Art, wie sie den Altons zugefallen ist?«
vermutete Marguerida. »Aber
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