Die Tänzerin von Darkover - 9
so schien es Regis, bildete Ruyven, der zweite Sohn aus dem Haus Di Asturien, der bereits von vielen trotz seiner Jugend hoch angesehen wurde. Im Gegensatz zu den pathetischen Alten stand er ruhig und gefaßt wie ein Fels in der Brandung. Er sprach mit leiser Ironie, die Regis aus irgendeinem Grund zu Herzen ging. »Was, werte Lords, sagen wir einer, die sich uns entfremdet hat? Einer, die sich davongestohlen hat und nun zurückkehrt, aber keine von uns mehr ist? Die Antwort erscheint mir einfach. Wäre es mein Kind, das zurückkehrt, würde ich fragen:
›Wer bist du? Wenn du mir noch immer sagen kannst, wer du bist, und das in einer Sprache, die ich verstehen kann, die aus meinem Blut zu mir spricht, dann werde ich dich wieder aufnehmen. Sonst aber scher dich fort, Wechselbalg, du bist nicht mein Fleisch und Blut!‹ Das gleiche muß man auch dieser Frau Alessandra sagen, die sich danach sehnt, den Namen Aillard zu tragen: ›Wer bist du, einstige Tochter der Comyn? Sprich jetzt zu uns, so daß wir es verstehen können. Ansonsten hast du keinerlei Anspruch. Mach dich dem Comyn-Blut, das in unseren Adern fließt, verständlich.‹
Nicht mehr, nicht weniger sei ihr gestattet.«
»Es reicht, Lord Regis! Ich verlange ein Ende dieser Debatte.«
Plötzlich war es still. Alle Augen waren auf Daniella gerichtet, die bislang geschwiegen hatte, jetzt aber mit sanfter Stimme unterbrach und sich dann erhob, um ans Rednerpult zu treten. Sich respektvoll verneigend machte Ruyven ihr Platz und schluckte seinen Zorn hinunter.
Daniella, die Herrin von Aillard, eine erschöpfte und dennoch stolze Comynara, trat vor ihresgleichen. »Lord Regis. Meine Lords.
Ich habe euch allen zugehört, und es erschien mir wie eine Ewigkeit.
Aber bei all euren wohlgesetzten Worten scheint ihr doch eine Sache ganz zu vergessen. Ich bin die Herrin von Aillard. Meine Schwester ist eine Aillard. Und in dieser Angelegenheit habe einzig und allein ich das letzte Wort. Bei allem gebührenden Respekt, Lord Regis, selbst Hastur kann mich jetzt nicht mehr davon abbringen. Meine Blutsschwester Alessandra erfüllt mich mit Stolz, und ich werde immer zu ihr stehen. Und was Euch betrifft, meine Lords, so tätet ihr gut daran zu erkenne, daß Alessandra mehr als alle anderen Ehre für uns erlangt hat.«
Und dann, nach einer kurzen Pause, verkündete sie: »Ich benenne jetzt meine designierte Erbin.«
In der Kammer erhob sich erhebliche Unruhe; aber Gabriel Lanart-Alton brachte sie alle wieder zum Schweigen. Dann trat, wie auf ein Stichwort, Alessandra ein.
Die makellose weibliche Gestalt zog all Blicke auf sich. Ihre Kleidung war für eine Adlige von hoher Geburt standesgemäß. Und doch erkannte Regis jetzt, da er sie zum ersten Mal vor sich sah, wie zierlich und zerbrechlich sie war. Höflich und alle Anstandsformen wahrend bahnte sie sich einen Weg, um ihren Platz an der Seite ihrer Schwester einzunehmen. Mit klarer und unerwartet kräftiger Stimme wiederholte Alessandra die Eidesformel; und ohne auch nur einmal zusammenzuzucken, trotzte sie allen Blicken. Sie stand hochmütig da, und bei der ihr angeborenen Anmut schien es einen Augenblick lang so, als ob sie bereits die Verantwortung übernommen habe und Herrin von Aillard sei, auch wenn ihre ältere Schwester neben ihr stand.
Was ihr jetzt durch den Kopf geht … fragte sich Regis. Nachdem die Eidesformel gesprochen war und Gabriel die Zeremonie beendet hatte, erkannte Regis Hastur die neue Erbin von Aillard formell an.
Danach tauschte er einige Höflichkeiten mit ihr aus, aber in Gedanken eilte er bereits voraus und überlegte, was er ihr wirklich sagen wollte, was er ihr in absehbarer Zukunft in informellen Gesprächen mitzuteilen hatte. Sie war für ihn jetzt das Symbol, das ein neues Darkover verkörperte.
Trotz all der Veränderungen blieb doch eines auf Darkover, wie es immer gewesen war: die Festnacht. Aus der Ferne betrachtet strahlten die Lichter in den vielen Fenstern der Comyn-Burg wie Hunderte von Glühwürmchen.
Der Ausdruck in Ruyven Di Asturiens stählernen Augen veränderte sich nur kurz, als Endreas Aillard müde und abgespannt in einem Flur der Burg an ihm vorbeiging. Beim Anblick des Zwillingsbruders jener Frau, die die Sterne bereist hatte und die er inzwischen haßte, fuhr er noch immer zusammen. Wie sehr sie sich ähnelten! Er würde in Endreas jedesmal nur sie wiedererkennen.
Wie gewohnt wahrte Ruyven zwar beiden gegenüber die Höflichkeit, aber innerlich schäumte er
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