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Die Tänzerin von Darkover - 9

Die Tänzerin von Darkover - 9

Titel: Die Tänzerin von Darkover - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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kompliziertesten aller alten Frauentänze, der in Tradition und Überlieferung so weit zurückreichte, daß sich seit Jahren niemand mehr daran versucht hatte.
    Das Orchester spielte im Verborgenen die ersten Takte.
    Alessandra lag in einem zartweißen Gewand ausgestreckt auf dem Boden. Das Haar floß ihr lose um die Schultern. Sie atmete kaum.
    Als die Musik langsam und zart wie eine sich öffnende Knospe anschwoll, erhob sie sich. Der weiße Stoff warf viele schimmernde Falten, bedeckte ihren. Leib, verbarg aber kaum ihre Beine unter den filigranen Streifen. In ihren Bewegungen verbanden sich Kraft und unglaubliche Zartheit, als sie die alte Schrittfolge aufnahm und das Tempo forcierte. Immer schneller zuckten ihre Glieder, ohne daß sie dabei auch nur einmal jene Anmut verlor oder die geringste Geste ausließ.
    Den Rhythmus steigerte sich, und klagende Dudelsacktöne mischten sich darunter, als die Jungfrau sich vor ihnen hin und her wiegte, wie eine Feder in der Mitte der Halle dahinschwebte und mit ihrem gesamten Körper – ohne einen einzigen Ton – Aldones anrief, der für sie der einzig wahre Herr des Lichts war und von dem sie doch ewig unerhört blieb.
    Wie seltsam, dachte Regis, daß solch tief empfundenen Qualen allein durch Gesten und Bewegungen und ohne das geringste Mienenspiel dargestellt werden können.
    In der Schlußszene des Tanzes offenbarte Alessandra, die weiße Blüte, ihren feuerglühenden Kern: Ihre Gestalt schien sich aufzulösen, als sie im wilden Crescendo herumwirbelte, und nur ihr flammendes Haar zeigte den ungläubigen Zuschauern, wo sie sich inmitten der flirrend-rasenden Bewegung tatsächlich befand.
    Als sie geendet hatte, kniete Alessandra sich nieder und neigte den Kopf nach vorne; ihr Gesicht verschwand hinter dem Schleier ihrer roten Haare. Den losdonnernden Applaus hörte sie nicht. Sie war noch immer die Jungfrau, ganz und gar mit ihrer Rolle verschmolzen. Nur die größten Künstler vermochten dies …
    Ruyven stand schweigend da. Er hatte sich dem Beifall der anderen nicht angeschlossen. Sein Herz war zu Eis erstarrt, und doch zitterte er erregt, denn er wußte, daß auch er im nächsten Augenblick nachgeben würde. Das aber hieße, dem tödlichen Zauber zu erliegen und das Ende von Darkover, das sie verkörperte, hinzunehmen. Und das durfte nie geschehen … .
    »Bravo!« rief Lerrys Ridenow. »Das war das Beste, was ich je an darkovanischem Tanz gesehen habe!« Und diesmal stimmten ihm zahlreiche andere vorbehaltlos zu.
    Alessandra hatte sich inzwischen erhoben und war zu Hastur ans Büfett hinübergegangen. Sie war vom Tanz noch immer außer Atem und erregt.
    »Sie haben meine Erwartungen alle übertroffen, Damisela«, lächelte Regis. »Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich habe Videos Ihrer Aufführungen gesehen, aber das hier – « Er suchte hilflos nach passenden Worten, gab aber schnell lachend auf. »Ich hätte nie gedacht, daß der menschliche Körper dazu fähig wäre!«
    Alessa stimmte in sein Lachen ein. »Sie übertreiben, mein Lord!
    Schließlich bin ich nicht die erste, die diesen Tanz aufführt, wie Sie sich sicherlich erinnern können.«
    »ja und nein. In gewissem Sinne sind Sie die erste. So hat noch keine vor Ihnen getanzt. Dieser Tanz gehört ganz allein Ihnen.«
    Hinter ihnen erklang die schneidende Stimme von Ruyven Di Asturiens, und als sie sich umdrehten, trat der junge Mann näher.
    »Verzeihung, Lord Hastur, wenn ich stören muß.« Seine eindringlichen grauen Augen richteten sich auf Regis, der freundlich zurücklächelte. Ihm gefiel die Aufrichtigkeit dieses Mannes, auch wenn er »zum anderen Lager« gehörte.
    »Von Ihnen fasse ich es als Kompliment auf«, erklärte Alessa und erwiderte unerschrocken Ruyvens Blick. Er nahm an ihr erneut diese Andersartigkeit wahr, diesen terranischen Schliff, der ihre ansonsten
    untadeligen
    darkovanischen
    Umgangsformen
    überlagerte. Unwillkürlich verfinsterte sich seine Miene wieder, was Alessas Aufmerksamkeit nicht entging. Für ihn war es eine reine Unverschämtheit, wie sie ihn fortwährend musterte – sie, einerseits höflich, fast zerbrechlich, andererseits so energiegeladen. Von Anfang an hatte diese Spannung zwischen ihnen geherrscht. Wenn sie sich begegneten, war es wie ein Tanz auf Messers Schneide.
    Beide spürten es, beide wußten es. Schließlich besaßen beide genügend Laran .
    Trotz seiner höflichen Komplimente würde er mich am liebsten mit ihnen steinigen. Aber warum? Warum haßt er mich

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