Die Tänzerin von Darkover - 9
sie fügt hinzu: »Sie dürfen mir glauben, da oben ist es kälter als in den Hellers.« Das kann ich nur bestätigen. Ich bin selber dort groß geworden, und die Idee zu den Hellers kam mir sicherlich nicht, als ich in Texas lebte. Und noch eine Gemeinsamkeit: Aimee erreicht wie ich das »Gardemaß« von 1,60 m. »Und für alle, die an weiteren äußerlichen Details interessiert sind: Ich habe braune Haare, braune Augen und unzählige Sommersprossen. Von der Abstammung her bin ich zu drei Viertel deutsch, aber man könnte mich leicht für eine Irin halten. Es reicht zumindest, um in Heathrow gefilzt zu werden.« Sie hat eine Schwäche für Sport, Handarbeiten, alte Spielfilme, Kunstgewerbe, Schokolade und Whiskey-Liköre. Nun ja, Sport und Schokolade überlasse ich gerne anderen. Die Geschmäcker sind eben verschieden, und es wäre langweilig, wenn beim Rennen alle auf das gleiche Pferd setzen würden – sofern man sich überhaupt für Pferderennen interessiert. Wie lautet doch eine alte chinesische Weisheit: »Es steht seit langem fest, daß ein Pferd schneller als das andere rennt.« Womit ich nichts gegen Dick Francis und seine Krimis in diesem Milieu gesagt haben will – sie gehören nach wie vor zu meiner bevorzugten Lektüre.
Amilha spähte verstohlen durch die in Nebel gehüllten Bäume auf die Straße. Angestrengt lauschte sie auf die Geräusche ihrer Verfolger. Und sie konnte sie hören, zwar noch entfernt, aber sie ritten unverkennbar in ihre Richtung.
Sie kämpfte gegen ihre Angst und Tränen an und redete beruhigend auf das Pony, das sie gestohlen hatte, ein. »Psst, psssst, mein Kleiner. Du mußt ruhig bleiben. Bitte, bitte! Ja, so ist’s gut.
Komm, friß etwas. Du wirst es brauchen, wir haben noch eine lange
… Reise vor uns. Psst!«
Das Pony schnupperte am Boden und begann still zu grasen.
Das Hufgeklapper galoppierender Pferde kam näher und immer näher. Amilha schluckte und hielt den Atem an. Sie zitterte heftig.
Als die vier Reiter vorbeipreschten, hob das Pony den Kopf und schaute neugierig zur Straße. Jetzt ist es um mich geschehen. Gleich wird das Pony die anderen Pferde begrüßen und kräftig loswiehern. Aber alles blieb still. Das Pony schaute nur die Reiter an, dann Amilha, und dann begann es erneut friedlich zu grasen.
Erschöpft von der Anspannung und doch erleichtert atmete sie auf, als sie auf den Boden sank. Ich muß mich jetzt erst etwas ausruhen.
Sie konnte sich kaum mehr rühren, so sehr schmerzten ihre Muskeln. Während sie so dasaß, eilten ihre Gedanken zu den Ereignissen der vorangegangenen Nacht zurück.
Bard! Bard di Asturien! Allein schon der Name ließ sie zusammenfahren, aber ihre Angst wich mehr und mehr dem aufkommenden Zorn. Wäre ich gestern nur nicht an seinem Zimmer vorbeigegangen! Hätte ich mich nur nicht umgedreht, als er meinen Namen rief! Mit seinem Laran hat er mir die Sinne geraubt und mich gezwungen, Dinge zu tun, die ich niemals vorher getan habe. Oh, wie ich ihn hasse!
Warum haben meine Eltern mich bloß als Zofe von Lady Jerana nach Asturias geschickt? Sie kannten doch Bards Ruf! Und trotzdem haben sie mich fortgeschickt! Warum nur? Ich weiß ja, daß mein Vater nie viel für mich übrig hatte. Es war schon schlimm genug, daß er mir nicht gestattete, in den Turm zu gehen. Aber wie konnte er mich nur solch einer Gefahr aussetzen?
Sie schlang die Arme um die Knie und wiegte sich auf dem weichen Gras schluchzend hin und her. Auch ihre Mutter würde ihr nicht glauben, daß es Bards Schuld war. »Warum sollte Bard ausgerechnet dich begehren? Schau dich bloß mal an, wie unansehnlich du mit deinen struppigen Locken bist, die du nie richtig pflegst. Und überhaupt, du bestehst doch nur aus Haut und Knochen, vorne nichts und hinten nichts.« Das war stets die nüchterne Erkenntnis ihrer Mutter gewesen, wenn sie Amilhas Heiratschancen abschätzte. Und dann hätte sie Amilha sicher noch Vorwürfe gemacht: Sie habe ja schon immer geahnt, daß so etwas passieren würde! Ob sie denn keinen Anstand besäße, wie es sich für junge Mädchen gehört? Und daß sie sich ein Beispiel an ihren Schwestern nehmen solle!
Aber Amilha wußte genau, warum Bard sich an ihr vergriffen hatte. Es bereitete ihm ein perverses Vergnügen, Jungfrauen die Unschuld zu rauben und sie auf seine männlich vulgäre Art zu entehren. Beim Gedanken an den Schmerz und die Erniedrigung der letzten Nacht kamen ihr erneut die Zornestränen. Nie, nie, nie werde ich zu dieser Burg
Weitere Kostenlose Bücher