Die Tänzerin von Darkover - 9
die Schulter geschnallt trug, und der harte, unförmige Gegenstand darin schien ihn zu beruhigen.
Am oberen Treppenabsatz entstand ein Lichtkegel, ein silbriges Leuchten, das sich deutlich vom sonstigen rötlichen Dämmerlicht abhob. Davor zeichnete sich die Silhouette einer menschlichen Gestalt ab, die einen Arm zum Gruß erhob. »Willkommen!« ertönte eine helle, hohe Kinderstimme.
Grey trat einen Schritt auf die Gestalt zu. »Wer bist du?«
»Ich?« Das Licht wurde noch intensiver, so daß die Gesichtszüge des Kindes fast sichtbar wurden. Ein Strahl schien ihm durch die Kehle zu dringen, als ob es kein körperliches Wesen wäre. Sein braunes Haar reichte ihm in wirren Strähnen bis auf die Schultern und umrahmte sein fuchsartiges Gesicht. »Du kennst mich nicht – «
»Ich will verdammt sein, natürlich kenne ich dich!« schrie Grey.
»Aber du bist längst tot!«
»In meiner Mutter Haus sind viele Plätze«, intonierte das Kind.
»Kommt und lebt im Haus der Mutter, wo alles lebt, alles stirbt, alles eins ist.«
»NEIN!« Grey brüllte gegen den Gesang an. Er wurde einen Schritt zurückgeworfen, als der Strahl aus der Kehle des Kindes auf den Riß in seiner Rüstung traf. Er fing sich und riß sein Schwert hoch, aber das Kind war bereits verschwunden.
Dann erfolgte ohne Vorwarnung der Angriff. Ein Bannstrahl aus Finsternis knallte wie ein Peitschenhieb herab. Er riß Grey um, warf ihn gegen seine Männer und die darkovanischen Wachen, die hinter ihm standen. Donald schob sich von einer Seite schützend vor Marguerida, von der anderen Seite tat Raquel das gleiche, aber die Bewahrerin drängte beide ungeduldig weg. Sie hob ihre Hände, griff sich in ihr Flammenhaar und formte daraus einen handgroßen Feuerball, den sie mitten ins Herz der Finsternis schleuderte. Der Greifarm aus Dunkelheit zog sich zurück. Grey und seine Leute rafften sich auf. Beide Armbrüste schossen ihre Pfeile gleichzeitig ab, verfehlten aber ihre Ziele. Marguerida formte einen weiteren Feuerball und schleuderte ihn los.
Dies wurde von einem Hagel eisiger Geschosse erwidert. Einer der Terraner sank getroffen zu Boden. Lord Regis kniete neben dem gestürzten Mann und breitete über ihn wie einen Mantel einen Lichtschutzschild, an dem alles abprallte. Beim zweiten Pfeilhagel bohrte sich ein Geschoß in Donalds Schulter, und die Kälte lähmte ihn auf einer Seite. Er konnte den Beutel nicht mehr spüren; verzweifelt versuchte er, den Kopf zur Seite zu drehen, um wenigstens den Lederriemen sehen zu können. Er schwankte, seine Füße gaben nach.
Hinter ihm erstrahlte ein neues Licht, aber diesmal glich er dem goldenen Licht der Erdensonne: Pater Yoshida trat vor. Er trug jetzt nur noch einen Lendenschurz, und seine Haut glühte wie die von Regis, auch wenn er keinen Schild besaß. Die kalten Pfeile trafen ihn mehrmals, aber aus jeder Wunde in seiner helle Haut schossen helle Sonnenstrahlen, die die restlichen Pfeile im Flug zum Schmelzen brachten. Tief im Herzen der Dunkelheit stöhnte etwas.
Donald konnte allmählich seinen Arm wieder spüren und hantierte an den Schnallen seines Beutels.
Regis, Grey und Pater Yoshida standen nun dicht beieinander: Schwert und Schild, Rüstung und Schwert, und dann diese glühenden Wunden, die sich jeder kriegerischen Metapher entzogen. Hinter ihnen flocht Marguerida aus tausend feinen Lichtfäden ein Netz, durchsetzt mit pulsierenden Sternenfunken.
Plötzlich kroch ein zweiter Greifarm der Dunkelheit dicht über dem Boden auf Grey zu, schlang sich um seine Beine und wollte ihn fortziehen. In diesem Moment warf Marguerida ihr Lichtnetz aus.
Es schwebte über dem fluchenden Offizier, der mit seinem Schwert wild auf den Greifarm einhieb, ihm aber nichts anhaben konnte.
Raquel schrie »Du Schlange! Laß ihn los!« und schoß einen Pfeil auf das Schattenwesen ab.
Das Lichtnetz verbreitete sich immer mehr, und allmählich traten Formen und Gestalten deutlicher hervor. Dort war – SIE! Ihre Gestalt lag ausgestreckt auf dem Altar der Dunkelheit und ihre Arme waren um die Kinder geschlungen, die sich dicht an sie drängten. Einige von ihnen waren am Leben, andere umgab der fahle Silberschein des Todes.
Aber alle ruhten friedlich in ihren Armen. Grey lag regungslos zu ihren Füßen.
Raquel zückte ihren Dolch; sie war jetzt zu allem entschlossen.
Und Donald hatte es endlich geschafft, seinen Beutel zu öffnen und den geheimnisvollen Gegenstand herauszuholen. Es war zunächst nicht zu erkennen, wozu
Weitere Kostenlose Bücher