Die Tänzerin von Darkover - 9
darüber würde ich mir jetzt keine Gedanken machen. Schaut lieber einmal dort hinüber.«
Sicherheitsoffizier Grey und Raquel n’ha Mhari standen in der Mitte des Ganges, jeder an die jeweils gegenüberliegende Wand gelehnt, und sprachen in abgehackten Sätzen miteinander.
Zwischen ihnen saß Anndra auf dem Boden; er spielte mit einem verbogenen Löffel, mit dem er in seiner kindlichen Phantasie irgendwelche Drachen bekämpfte. Auch Regis konnte nicht ausmachen, was die beiden sich zu sagen hatten. Und das war gut so.»Grey ist einer dieser altmodischen Terraner«, erklärte Donald,
»der diejenigen, die er liebt, auch ernähren und beschützen möchte.
Das heißt noch lange nicht, daß er sie nur für sich ganz allein haben will und Besitzrechte anmeldet, wie es andere Männer tun. Nach allem, was Raquel durchgemacht hat, ist es für sie schwierig, das eine von dem anderen zu unterscheiden. Sie müssen aufeinander zugehen, offen füreinander sein und sich auf halbem Wege treffen.«
»Offen aufeinander zugehen – das scheint auch mir das Beste zu sein«, stimmte Marguerida zu. »Lord Regis, was haltet Ihr davon, dieses Gebäude dem Thendara-Gildehaus zu schenken, damit sie es dann an Pater Yoshida weitervermieten können? Er hat es eine offene Anstalt genannt. Mir schwebt ein ›offenes Haus‹ vor, in dem Entsagende nach einer leicht modifizierten Regel leben können, in der Gemeinschaft mit anderen wie zum Beispiel ihren Söhnen oder auch – wenn sie es wünschen – dem Kindsvater.«
»Dagegen habe ich bestimmt nichts einzuwenden.« Regis blickte noch einmal den Gang entlang, wo Grey und Raquel standen, noch immer mit dem Rücken zur Wand, noch immer mit verbissener Miene. Aber immerhin redeten sie miteinander. »Wer traut sich zu, es ihnen zu sagen?«
PRISCILLA W. ARMSTRONG
Der Turm
Ich traf Priscilla Armstrong zum ersten Mal letztes Jahr beim Treffen der Freunde Darkovers in Baltimore, und ihr Name fiel mir, sofort auf; sie war eine »meiner« Autorinnen. Ihr Gedächtnis ist aber noch besser als meines; sie erzählte mir, daß sie sich genau an die vielen Absagen, in meiner
»unnachahmlichen Art« auf blauem Papier getippt, erinnern kann. Und daß sie diese Ablehnungsschreiben in Ehren aufbewahrt, da sie ihr auch immer wieder Mut und Hoffnung machten, es weiter zu probieren.
Priscilla ist Pfarrersfrau, und das ist keine einfache Stellung. Zu ihren zahlreichen Verpflichtungen gehört es auch, eine Gebetsgruppe zu leiten, die sich mit Heilung beschäftigt. »Ich unterrichte auch Handauflegen. Es ist schon überraschend, daß man so etwas unterrichten kann.« Vielleicht nicht ganz so überraschend; wahrscheinlich kann jede Form menschlichen Wissens gelehrt, zumindest aber erlernt werden.
Sarah Lovat-MacAran blickte in den Sternenstein, den sie in ihren sechsfingrigen Händen hielt, und konzentrierte ihre Gedanken auf ihren Mann. Durch den Stein und über den Stein hinaus sah sie ihn, genau dort, wo sie es vermutet hatte, beim Schafe hüten in den Bergen. Sie rief ihm in Gedanken zu, Duncan, Duncan, und sah, wie er seinen Kopf bewegte und nach Hause zurückschaute. Duncan, Duncan.
Er lächelte. Ich kann dich hören, Sarah. Ich werde heute abend heimkommen, wenn Gavin mich ablöst.
Es funktioniert! Genau so, wie wir es uns gedacht haben. jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie weit es reicht.
Sie stand etwas schwerfällig auf. Am liebsten hätte sie vor Freude getanzt: Freude über die soeben gemachte Entdeckung und Freude über das neue Leben, das in ihr heranwuchs. Bald schon würde sie wieder tanzen können, wenn das Kind, ihre Tochter, erst einmal auf der Welt war. Sarah steckte den Sternenstein wieder in den Beutel, der ihr an einem Lederriemen um den Hals hing.
Wir werden es ihnen schon beweisen, Duncan und ich, daß man mit diesen Glücksbringern mehr vollbringen kann als ein paar kindische Kunststückchen wie Feuer machen. Viel mehr auch, als nur die Lovat-MacAran-Gabe zu verstärken. Und wenn die Sternensteine klein sind, sind sie auch sicher. Wenn wir soweit sind, werden wir die volle Anwendung vorführen. Wenn wir soweit sind. Aber wann wird das sein?
Sie seufzte. Immer dieses ›wenn‹. Immerhin hatte der Widerstand ihrer Eltern etwas nachgelassen, seitdem sie und Duncan verheiratet waren und ihr erstes Kind erwarteten. Mit der Ehe werden beide schon noch zur Ruhe kommen. Diesen Gedanken hatte sie von ihrer Mutter aufgeschnappt. Sie fragte sich, ob ihr Kind zur Namensweihe
Weitere Kostenlose Bücher