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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ohne
über mich selbst Bescheid zu wissen?«
In seinen Augen glomm ein Funke, den sie nicht zu deuten
wußte. Hätte sie nicht gewußt, daß dies im Moment wohl kaum
der Fall sein konnte, sie hätte gemeint, Haß zu erkennen.
»Selbsterfahrung«, murmelte er. »Selbstverwirklichung.
Auch du.«
»Wäre das so ungewöhnlich? In meiner Situation?«
Die übellaunige Kellnerin brachte das Essen, zwei Teller mit
dampfender Zwiebelsuppe und käseüberbackenen
Weißbrotscheiben darin. Es sah nicht so aus, als werde
Christopher in der Lage sein, auch nur einen Bissen
hinunterzubringen.
Als das Mädchen wieder weg war, fuhr Laura fort: »Es sind
Schlagworte, ich weiß. Und manchmal kann man sie nicht
mehr hören. Es geht für mich wirklich nicht darum, mich an
einen Modetrend anzuhängen. Aber wie haben denn die letzten
Jahre für mich ausgesehen? Meinen Beruf mußte ich aufgeben.
Ich mußte in ein Haus und in einen Vorort ziehen, in dem ich
gar nicht leben wollte. Mein Mann hat mich komplett von
seinem Leben ausgeschlossen, aus guten Gründen, wie ich nun
weiß. Er wird ermordet, und ich erfahre, daß ich vor dem
finanziellen Ruin stehe, daß er sich ins Ausland hat absetzen
wollen, daß er mich seit Jahren mit einer gemeinsamen
Bekannten betrogen hat. Er hätte mich und unser Kind eiskalt
in dem Schlamassel sitzen lassen, den er angerichtet hat. Wie
muß ich mich fühlen? Kannst du dir das nicht vorstellen?
Kannst du mir nicht zugestehen, daß ich mein Vertrauen in
Männer, in Partnerschaft oder gar Ehe erst einmal verloren
habe? Und lange Zeit brauchen werde, es wieder aufzubauen?«
Er neigte sich nach vorn. Ein Hauch von Farbe stieg in seine
Wangen. »Aber das ist es doch! Dabei möchte ich dir helfen.
Ich möchte dir dein Vertrauen zurückgeben. Du sollst das
Schlechte in deinem Leben vergessen und begreifen, daß es
andere Männer als Peter gibt!«
Sie schüttelte den Kopf. »Diesen Weg muß ich selbst gehen.
Ich werde Zeit brauchen, und die möchte ich mir auch nehmen.
Ich kann einfach nicht ohne jeden Übergang unter die Fittiche
des nächsten Mannes kriechen.«
»Ich bin doch ganz anders als Peter. Ich würde dich niemals
betrügen. Nie hintergehen. Nie verlassen.«
»Ich weiß. Aber auf deine Art ...«, sie wählte ihre Worte
vorsichtig, »... auf deine Art würdest auch du mich einengen.«
»Niemals!« Er griff über den Tisch nach ihrer Hand, hielt sie
fest. Seine Augen hatten einen fiebrigen Glanz angenommen.
»Niemals würde ich dich einengen! Ich möchte dich nicht
formen, nicht unterwerfen, dich nicht zu meiner Marionette
machen, oder was immer du denken magst. Wenn es das ist,
wovor du Angst hast, dann vergiß es. Ich liebe dich als der
Mensch, der du bist, ohne Wenn und Aber. Es gibt nichts, was
ich an dir ändern möchte. Ich möchte nur glücklich mit dir
sein, ganz fest zu dir gehören, in einer Familie mit dir leben.
Mit dir und Sophie. An deine Tochter mußt du doch auch
denken. Es ist nicht gut für ein Kind, ohne Vater
aufzuwachsen. Und sie ist klein genug, daß sie mich als ihren
Vater ohne Probleme akzeptieren würde. Ihr Umfeld wäre viel
gesünder als irgendeines, das du ihr bieten kannst!«
Er redete schnell und hämmernd auf sie ein. Und er kam ihr
schon wieder zu nah. Buchstäblich, indem er ihre Hand hielt,
aber auch durch seine Eindringlichkeit, mit der er ihr jedes
Wort in den Kopf hineinzubohren schien. Sie wußte jetzt,
weshalb sie sich nie wirklich wohl fühlte in seiner Gegenwart:
Er war bedrängend, immer, ganz gleich, was er tat oder sagte.
Er schien sie einzusaugen, zu verschlingen, zu einem Teil von
sich zu machen. Er ließ sie atemlos werden und erweckte stets
das Bedürfnis in ihr, sich zurückzuziehen, Abstand einzulegen,
einen Graben zu schaufeln. Was er jedoch nicht zuließ.
Vielleicht war es das, dachte sie, was seine Frau von ihm
fortgetrieben hat.
Sie wußte sich nicht mehr zu helfen, und sie hatte den
Eindruck, das Gespräch könnte endlos und erschöpfend
werden.
»Ich liebe dich nicht, Christopher«, sagte sie leise und starrte
dabei in ihren Suppenteller, als gebe es darin etwas zu
entdecken.
Er zog seine Hand zurück. »Wie meinst du das?«
Sie sah ihn noch immer nicht an. »Wie ich es sage. Ich liebe
dich nicht.«
Beim zweiten Mal sagte sich der Satz schon einfacher. Ich
liebe dich nicht. Sie fühlte Erleichterung. Es war heraus, sie
hatte es hinter sich gebracht. Sie brauchte nicht mehr lange zu
reden, zu

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