Die Taeuschung
darauf, Papiere, Kugelschreiber und ein kleiner
blühender Kaktus. Vor allem aber das diskrete Schildchen im
Acrylrahmen: Monique Lafond.
»Monique Lafond arbeitet mit Ihnen zusammen?« fragte sie
überrascht.
»Sie ist meine Sekretärin«, sagte Monsieur Alphonse und
seufzte tief, »und bislang konnte ich durchaus zufrieden mit ihr
sein. Sie war zumindest immer zuverlässig. Aber heute ist sie
den dritten Tag nicht erschienen, ohne sich krankzumelden,
ohne eine Erklärung abzugeben. Bei ihr daheim geht niemand
ans Telefon. Mir ist das schleierhaft.« »Den dritten Tag? In
Folge?«
»Ja. Sie war krankgeschrieben bis Ende letzter Woche, aber
am Montag hätte sie wieder kommen müssen. Oder zumindest
Bescheid geben, wenn sie sich noch nicht fit fühlt. Ich habe
schließlich fest mit ihr gerechnet.« Monsieur Alphonse senkte
vertraulich die Stimme. »Sie haben doch sicher von dem Mord
an der Pariserin in ihrem Ferienhaus gelesen? Monique hat für
die Frau geputzt, und sie war es, die sie gefunden hat!
Erdrosselt, mit zerschnittenen Kleidern. Meiner Ansicht nach
ein Sexualverbrechen. Und die kleine Tochter obendrein! Kein
Wunder, daß Monique einen Schock hatte und zu Hause
bleiben wollte, obwohl ich ja eigentlich denke, es ist gar nicht
so gut, sich in einem solchen Fall daheim zu vergraben. Aber
bitte, jeder, wie er will. Nur wenn sie sagt, sie kommt am
Montag wieder, dann soll sie auch kommen. Oder bei mir
anrufen!« Dann schien ihm aufzugehen, daß Laura so
überrascht auf das Namensschild reagiert hatte, und neugierig
fragte er: »Kennen Sie Monique?«
» Nur aus dem Zusammenhang mit dieser Geschichte.
Diesem Verbrechen«, erwiderte Laura. »Da fiel einmal ihr
Name.« Sie mochte ihm nicht sagen, daß sie selbst an Monique
interessiert war. Es hatte sie erleichtert, daß er sie nicht erkannt
hatte, als sie sich vorstellte; der Name Peter Simon war durch
die Presse gegangen, und Monsieur Alphonse hätte sie darüber
identifizieren können. Sie mochte den Mann nicht, er kam ihr
zudringlich und sensationslüstern vor.
»Sind Sie bei ihr daheim gewesen?« fragte sie. »Vielleicht
ist ihr ja etwas zugestoßen.«
»Aber das ist doch nicht meine Angelegenheit«, wies
Monsieur Alphonse dieses Ansinnen sofort zurück, »da muß es
schließlich Verwandte und Freunde geben!«
»Wissen Sie das?«
»Woher soll ich das wissen? Sie ist meine Sekretärin, nicht
meine Vertraute. Aber«, er versuchte das Thema zu wechseln,
»das sollte uns jetzt nicht allzu sehr kümmern. Wir sehen uns
um vier?«
Laura wurde das Gefühl nicht los, daß etwas ganz und gar
nicht stimmte, aber es war nicht der Moment, sich damit zu
beschäftigen.
»Ja, um vier«, sagte sie.
Bis dahin würde sie eines der kompliziertesten Mittagessen
ihres Lebens überstanden haben.
3
Sie mußte sich immer wieder sagen, daß sie sich verbessert
hatte: Ihr neues Verlies hatte einen Lichtschalter und eine
Glühbirne, die nackt und häßlich von der gekalkten Decke
baumelte. Sie konnte also sehen. Sie konnte die Uhr ablesen,
und sie mußte nicht orientierungslos in ihren eigenen Fäkalien
herumkriechen. Sie konnte ihre Arme und Beine, ihre Hände
und Füße betrachten. Seltsamerweise tat es ihr gut, etwas von
sich selbst zu sehen.
Und sie hatte einen Schlüssel. Nicht ihr Peiniger hatte sie
eingesperrt, sondern sie sich selbst. Was bedeutete, daß sie sich
auch selbst aus dem Gefängnis herauslassen konnte.
Andererseits hatte sie nicht das geringste mehr zu essen oder
zu trinken. Der Raum, in dem sie sich befand, war leer bis auf
zwei Pappkartons, die in der Ecke standen. Sie hatte
hineingeschaut und Kosmetikartikel gefunden; eingetrocknete
Cremetuben, alte Lippenstifte, die unangenehm rochen,
Haarwaschmittel und eine halb aufgebrauchte Puderdose. Die
Gegenstände hatten wohl Carolin gehört, seiner Frau, von der
er erzählt hatte, sie habe ihn verlassen. Die zweite Frau in
seinem Leben, die fortgegangen war. Danach war er ausgetickt.
Hatte die Freundin seiner Mutter getötet, dann die arme
Camille Raymond und die unschuldige Bernadette, und Gott
mochte wissen, wen sonst noch.
Sie mußte hier raus, so viel war klar.
Wenn sie nur wüßte, wo der Mann sich aufhielt!
Er hatte sich gleich nach ihrer Flucht entfernt, sie hatte ihn
davonhumpeln und -schlurfen gehört. Sein Fuß hatte stark
geblutet, das hatte sie noch mitbekommen, und er hatte sich
wohl zuerst um seine Verletzung kümmern müssen. Seitdem
war er
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