Die Taeuschung
werden froh sein, wenn sie einen
Platz bei uns bekommen.«
Für ihn stand bereits fest, daß sie ihr Leben gemeinsam
führen würden, und Nadine hätte sich sowieso mit niemandem
eingelassen, der nicht die Absicht gehabt hätte, sie zu heiraten
und ihr ein Zuhause zu bieten. Sie mochte die Idee, Besitzerin
eines kleinen, feinen Restaurants zu sein, interessante Gäste zu
haben und weithin Bekanntheit und Anerkennung zu genießen.
Sie schmiedeten Pläne und durchlebten einen heißen,
verliebten, wunderbaren Sommer, von dem Nadine später
immer dachte, daß er die beste Zeit ihrer Beziehung gewesen
war.
Am Ende des Sommers, als ein sehr warmer, goldener
Herbst begonnen hatte, fragte Henri Nadine, ob sie ihn heiraten
wolle. Die Frage wurde zwischen ihnen beiden nur als
Formsache gesehen, derer sich Henri jedoch stilvoll mit roten
Rosen und einem kleinen Brillantring entledigte. Nadine
willigte ein, und dann sagte Henri zögernd: »Nadine, ich
möchte, daß du Cathérine kennenlernst. Meine Cousine.«
Er hatte Cousine Cathérine schon einige Male erwähnt, aber
Nadine hatte nie genau hingehört. Henri hatte eben eine
Cousine, die im Hafenviertel von La Ciotat lebte und die er
offenbar als eine Art Schwester empfand. Warum auch nicht?
»Klar lerne ich sie kennen«, sagte sie, »sie wird ja
wahrscheinlich auch zu unserer Hochzeit kommen?«
»Da bin ich nicht so sicher. Du mußt wissen ... Cathérine
wäre selbst gern meine Frau geworden. Ich fürchte, daran hat
sich nie etwas geändert.«
»Aber ich denke, sie ist deine Cousine?«
»Das gibt es doch öfter. Wir wären nicht der erste Fall, wo
Cousin und Cousine heiraten. Also, das ist schließlich erlaubt,
und, wie gesagt, es ist ziemlich oft vorgekommen.«
Von diesem Augenblick an hatte Nadine eine Abneigung
gegen Cathérine gehegt. Sie war nicht mehr einfach nur eine
Verwandte, sie war jetzt eine Rivalin.
»Und«, fragte sie, »hast du ihre Gefühle erwidert? Hast du
sie auch heiraten wollen?«
»Ich weiß gar nicht mehr so genau. Es kann sein, daß wir uns
als Kinder einmal dazu entschlossen hatten. Wir haben viel
Zeit miteinander verbracht. Wir waren wie Geschwister. «
»Und du hast irgendwann aufgehört, sie als die künftige Frau
an deiner Seite zu sehen?«
»Natürlich.« Henri hatte sie ganz erstaunt angesehen. »Ich
habe das sowieso nie ernst genommen, und hinzu kam ... na ja,
du wirst sie ja sehen. Sie ist ein lieber Kerl, aber ... nein, als
Frau an meiner Seite hätte ich sie nie in Erwägung gezogen.«
Es hatte dann einen gräßlichen Abend bei Berard in La
Cadiére gegeben, der so teuer gewesen war, daß Henri noch
wochenlang hinter seinem Geld hergejammert hatte. Das
Ambiente und Henris Nervosität vermittelten Nadine das
Gefühl, einen Antrittsbesuch bei den künftigen
Schwiegereltern zu absolvieren, dabei lernte sie doch einfach
nur irgendeine Cousine ihres zukünftigen Ehemannes kennen.
Immerhin begriff sie sofort, daß Cathérine als Frau keine
ernstzunehmende Konkurrenz darstellte. Einen Meter
achtundachtzig groß, breitschultrig und breithüftig, war sie der
Inbegriff des plumpen Trampels. Nadine fand sie einfach
häßlich, nicht nur langweilig, unscheinbar oder unattraktiv,
sondern richtig häßlich. Dabei war Cathérine an jenem Abend
sogar in einer Phase gewesen, in der ihre Hautkrankheit gerade
abgeklungen war; mit Hilfe einer Menge von speziellem Makeup und im günstigen Licht der Kerzen gelang es ihr, die
schlimmsten Spuren einigermaßen zu verbergen. Nadine fand
zwar, der Trampel habe zu allem Überfluß auch noch eine
schlechte Haut, aber das ganze Ausmaß der Zerstörung, das die
Krankheit bereits angerichtet hatte, entging ihr.
Die Atmosphäre war von der ersten Minute an gespannt.
Cathérine machte ein Gesicht, als sei sie die Hauptdarstellerin
in einer griechischen Tragödie. Henri plauderte ohne Unterlaß
und allzu bemüht, und das meiste, was er sagte, war ziemlicher
Blödsinn. Zum erstenmal, seitdem sie zusammen waren, hatte
Nadine den Eindruck, es bestehe ein intellektuelles Gefalle
zwischen ihm und ihr, und dieser Gedanke frustrierte sie. Am
nächsten Tag sagte sie sich dann, es sei die Aufregung
gewesen, die Henri so hirnlos und oberflächlich hatte plappern
lassen, und erst viel später erkannte sie, daß sie an jenem
Abend bei Berard eine durchaus richtige Eingebung gehabt
hatte: Intellektuell war Henri ihr unterlegen, und darin hatte
von Anfang an der entscheidende
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