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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Schwachpunkt ihrer
Beziehung gelegen.
Nadine wußte, daß Cathérine sie vom ersten Moment an
haßte, und sie sah nicht ein, weshalb sie es nicht genauso
machen sollte. Normalerweise hätte sie mit der glücklosen
Frau, für die sich lebenslang kein Mann interessieren würde,
nur Mitleid empfunden, aber da Cathérine ihr unverhohlene
Verachtung entgegenbrachte, reagierte auch sie schließlich nur
noch mit Abscheu. Hatte diese häßliche Person ernsthaft
geglaubt, einen Mann wie Henri zum Ehemann zu bekommen?
Sie mußte an krankhafter Selbstüberschätzung leiden.
Cathérine erschien nicht zur Hochzeit, so daß von Henris
Familie überhaupt niemand anwesend war. Sein Vater lebte
schon lange nicht mehr, und seine Mutter, die gebürtige
Italienerin, war in ihre Heimat zurückgekehrt und traute sich
eine Reise von Neapel bis an die Côte de Provence nicht mehr
zu.
»Hast du außer deiner Mutter und Cathérine wirklich
überhaupt niemanden mehr auf der Welt?« fragte Nadine spät
in der Nacht, als ein festliches Essen mit viel Champagner
vorüber war und sie in Henris Appartement in St. Cyr
zusammen im Bett lagen.
Henri gähnte. »Es gibt noch eine alte Tante. Eine Cousine
zweiten Grades oder so ähnlich von meinem Vater. Sie lebt in
der Normandie. Ich habe seit vielen Jahren keinen Kontakt.
Cathérine besucht sie manchmal.«
Die alte Tante, von der Henri kaum noch wußte, wie sie
hieß, stellte sich als entscheidender Weichensteller in ihrer
beider Leben heraus. Ein knappes Jahr nach der Hochzeit
verstarb sie und hinterließ eine ansehnliche Summe Geld, die,
wie sie verfügt hatte, zu gleichen Teilen zwischen ihren letzten
lebenden Angehörigen Cathérine und Henri aufgeteilt werden
sollte. Dies war natürlich in höchstem Maße ungerecht, da sich
Cathérine regelmäßig um sie gekümmert hatte, während Henri
nicht ein einziges Mal bei ihr aufgetaucht war. Doch es gab
nichts zu rütteln oder anzufechten. Jeder erhielt seinen Anteil.
Cathérine kündigte ihre Stelle bei einem Notar; das Getuschel
der Kollegen, in deren Kreis sie nie aufgenommen worden war,
hatte sie ohnehin schon lange schmerzlich berührt. Sie kaufte
die scheußliche kleine Wohnung in La Ciotat und legte den
Rest ihres Anteils recht geschickt an, so daß sie für einige Jahre
auf sparsamste Art davon würde leben können. Des weiteren
hatte sie recht konkrete Vorstellungen davon, wie sie ihren
Lebensunterhalt von nun an aufbessern würde.
Denn Henri benutzte sein Geld, um eine kleine,
heruntergekommene Kneipe in Le Liouquet zu kaufen, einem
Ortsteil von La Ciotat, jedoch völlig abseits der Stadt gelegen.
Das Häuschen, nur durch eine schmale Straße vom Meer
getrennt, verfügte im Erdgeschoß über eine geräumige, aber
völlig unzulänglich eingerichtete Küche, einen großen
Gästeraum mit Bar und eine winzige Toilette. Im ersten Stock
befanden sich drei kleinere Zimmer und ein Bad, und eine Art
Hühnerleiter führte in eine Mansarde hinauf, die man
allerdings im Sommer auch bequem als Backofen hätte nutzen
können.
Draußen gab es einen gepflasterten Garten mit schönen,
alten Olivenbäumen. Henri war begeistert.
»Eine Goldgrube«, sagte er zu Nadine, »eine echte
Goldgrube!«
Sie war skeptisch. »Und wieso ist es dann so verwahrlost?
Nach Geld sieht das Ding wirklich nicht aus.«
»Der Besitzer war uralt. Der hat das seit Jahren alles nicht
mehr richtig gepackt. Bei uns wird das anders, du wirst sehen!«
Das Geld reichte für den Kauf, aber sie mußten einen
ziemlich hohen Kredit aufnehmen, um das Anwesen in
Ordnung zu bringen und eine Küche einbauen zu lassen, die
Henris Vorstellungen und seinen Ansprüchen genügte. Noch
jahrelang zahlten sie an der Tilgung und den Zinsen.
Die kleine Kneipe, die Henri Chez Nadine nannte, entsprach
nicht im geringsten den Ideen, die Nadine von einem eigenen
Restaurant hatte. Sie hatte sich das Ambiente feudaler, schicker
gedacht. Sie fand es gräßlich, in ein paar wenigen Zimmern
über Küche und Schankraum zu hausen, über sich nur noch die
furchtbare Mansarde, die auch zudem hin und wieder vermietet
wurde. Eine separate Wohnung wäre jedoch zu teuer gewesen,
und auch das Vermieten der Zimmer brachte eine paar Francs,
die dringend gebraucht wurden. Henri, der natürlich wußte, daß
Nadine dies alles nicht behagte, erklärte immer wieder, das Chez Nadine sei nur der Anfang.
»Man beginnt immer klein. Irgendwann kaufen wir das
Luxusrestaurant in

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