Die Taeuschung
erlaubst – irgendwo an den Genfer See setzen und
mich ein wenig ausruhen.«
Es schwang eine Gereiztheit in seiner Stimme mit, die sie
überraschte. Sie hatte ihn mit ihrer Frage nicht kritisieren
wollen.
Dann war ihr plötzlich etwas eingefallen. »Kann ich
mitkommen?«
»Jemand muß bei Sophie bleiben.«
»Wir könnten sie mitnehmen. Oder meine Mutter nimmt sie.
Das ist doch kein Problem.«
»Hör mal, das ist keine Ferienreise. Das ist harte Arbeit. Wir
hätten überhaupt keine Zeit füreinander.«
Auf einmal war ihr ein Gedanke gekommen, und hastig und
unvorsichtig platzte sie damit heraus. »Wir könnten doch
zusammen arbeiten. Ich könnte die Photos machen!«
»Lieber Gott, Laura! Du kannst doch nicht glauben, daß ...«
Die Idee hatte sie mit Begeisterung erfüllt. »Ich habe das
gelernt. Ich habe als eine der Besten in der Schule
abgeschlossen. Ich habe eine sehr teure Ausrüstung. Ich könnte
...«
Vor lauter Freude hatte sie nicht bemerkt, wie finster Peters
Miene wurde. Erst als er sie mit scharfer Stimme unterbrach,
begriff sie, wie ärgerlich er war.
»Vergiß es, Laura! Es tut mir leid, dir das so hart sagen zu
müssen, aber du leidest unter einem krassen Mangel an
kritischer Selbsteinschätzung. Weißt du, wie lange du nicht
mehr im Job bist? Fast so lange, wie wir zusammen sind, also
bald acht Jahre! Weißt du, wie sehr sich die Dinge geändert
haben? Weißt du, wie echte Profis heute arbeiten?«
»Nun, ich ...«
»Jetzt komm mir nicht mit deiner Freundin Anne, die dich
auf dem laufenden hält! Auch wenn es dich kränkt: Kein
Mensch kennt sie. Sie ist drittklassig. Ich würde nie mit ihr
arbeiten!«
Damit hatte er sie tatsächlich verletzt. Sie hing mehr an
Anne, als er ahnte.
»Du konntest sie noch nie leiden. Deshalb arbeitest du nicht
mit ihr!«
Dieser Satz brachte ihn nun erst recht auf die Palme. »Für
wie kindisch hältst du mich eigentlich? Wenn ich die
Menschen, mit denen ich arbeite, danach aussuchen würde, ob
ich sie mag oder nicht, könnte ich meinen Job an den Nagel
hängen. Wäre Anne gut und würde sich auch nur ein klein
wenig an dem orientieren, was der Markt erwartet, anstatt die
exaltierte Künstlerin herauszukehren, die sich um nichts schert,
würde ich sie sicher dann und wann engagieren. Aber so fällt
mir das nicht im Traum ein!«
In seinen Worten steckte ein Funken Wahrheit, das wußte
sie. Annes Eigenwilligkeit machte es anderen schwer, mit ihr
zu arbeiten. Zu häufig ignorierte sie Absprachen und die
Vorstellungen der anderen. Für einen Job, wie Peter ihn
machte, war sie völlig ungeeignet. Im übrigen hätte sie
ihrerseits nie mit ihm gearbeitet. Die Zeitschriften, die er
bediente, faßte sie nicht einmal an.
»Ich bin nicht Anne«, sagte Laura. »Du weißt, daß ich mich
durchaus auf das Gewünschte einstellen kann.«
»Es hat keinen Zweck. Finde dich damit ab. Man muß auch
wissen, wo die eigenen Grenzen liegen. Diese Geschichte ist
wirklich wichtig. Ich brauche dafür den besten Photographen,
den ich bekommen kann. Und der bist du nicht.«
Er tat ihr ungeheuer weh mit seinen Worten, obwohl sie -und
das war das Eigenartige daran – durchaus wußte, daß er recht
hatte. Sie war natürlich zu lange aus dem Geschäft. Sie hatte
keinerlei Routine mehr, kannte den Markt nicht. Peter konnte
nicht riskieren, daß bei einem so lukrativen Auftrag etwas
schiefging.
Was so heftig schmerzte – und das war ihr erst später
klargeworden –, war die Art gewesen, wie er es gesagt hatte. Er
war verärgert gewesen, aber das rechtfertigte nicht die Kälte,
die er an den Tag legte, und nicht die Verächtlichkeit. Verächtlich hatte er sie vorher noch nie behandelt, und sie
wußte nicht, wodurch dies ausgelöst worden war. Es hatte
keinen Vorfall gegeben, kein Ereignis, das hätte verantwortlich
gewesen sein können. Es war, als sei unerwartet etwas Eisiges
zwischen sie getreten – so wie in einem See, durch dessen
warmes Wasser man schwamm, um plötzlich in eine
unangenehm kühle Strömung zu geraten, die aus dem Nichts zu
kommen, im Nichts zu verschwinden schien.
Laura hatte sich in sich verkrochen, fröstelnd und traurig,
und sie hatte nicht mehr gefragt, ob sie einfach so mitkommen,
sich ein paar schöne Tage machen könnte. Auch er hatte nichts
mehr gesagt.
Der Abend war in Schweigen und großer Distanz
verdämmert.
Nun hielt sie die Rechnung des Hotels in Perouges in den
Händen, datiert vom 23 bis 27. Mai, und dachte:
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