Die Taeuschung
Gesicht.
Madame und Monsieur Simon.
Blieb die Frage, wer die Frau war, die er als Madame Simon
ausgegeben hatte.
Oder war das letztlich überhaupt nicht wichtig?
Irgendeine beschissene kleine Affäre, dachte Laura, billig
und klischeehaft. Er hat eine bescheuerte Geliebte, die er in
exklusiven Hotels vögelt und die er als seine Gattin eintragen
läßt, weil er zu spießig ist, sich mit einer Frau anderen Namens
in ein Zimmer zurückzuziehen.
Ihr wurde plötzlich schlecht, sie ließ das Telefon fallen,
sprang auf, stürzte in die Küche und erbrach sich ins
Spülbecken. Ihre Haut war von einem Moment zum nächsten
mit einem Schweißfilm überzogen. Sie zitterte und würgte, und
als sie nichts mehr im Magen hatte, kam nur noch gelblicher
Schleim.
Sie hörte die Schritte ihrer Mutter näher kommen.
»Wo bleibst du denn? Telefonierst du immer noch?«
Elisabeth stand in der Küchentür, starrte ihre Tochter an. »Ist
dir schlecht?«
Wonach sieht es denn wohl aus? dachte Laura aggressiv,
während sie zugleich die Wut auf ihre Mutter zu
beschwichtigen suchte: Für den katastrophalen
Zusammenbruch des Lebens ihrer Tochter konnte Elisabeth
absolut nichts.
Laura richtete sich auf, zog sich eine Küchenpapierrolle
heran und tupfte sich den Mund ab. Elisabeth spähte in das
Becken. »Das solltest du nicht mit Wasser wegspülen. Ich
fürchte, dabei verstopfen die Rohre. Setz dich an den Tisch,
trink ein Glas Wasser. Ich beseitige den ... Schaden.«
Laura protestierte schwach. »Nein, Mami, das kann ich dir
nicht zumuten. Ich mach das gleich selber. Ich ...«
Elisabeth drückte sie auf einen Stuhl am Küchentisch. »Du
machst gar nichts. Du müßtest dich einmal sehen. Du siehst so
jämmerlich drein, daß man den Eindruck hat, du fällst jeden
Moment um.«
Sie holte Wasser aus dem Kühlschrank, schenkte ein Glas
ein, stellte es vor Laura hin. »Trink das. Du weißt ja: immer
alles rausspülen.«
Geschäftig machte sie sich daran, mit Küchenpapier das
Erbrochene ihrer Tochter zur Gästetoilette zu schaffen und zu
beseitigen. Sie öffnete das Küchenfenster und versprühte
Raumspray, um den beißenden Geruch zu vertreiben. Wie
immer agierte sie tüchtig und engagiert. Wie immer fühlte sich
Laura dabei wie ein Kind, kam sich auf einmal sehr klein vor.
»Mami, Peter hat ein Verhältnis«, sagte sie.
Elisabeth hielt für einen Moment inne, dann fuhr sie in ihren
Tätigkeiten fort, eine Spur aggressiver als vorher.
»Woher weißt du das?« fragte sie.
»Er hat im Mai in einem Hotel bei Lyon genächtigt. In
Begleitung einer Frau, die er als seine Ehefrau ausgab. Ich
denke, das ist eindeutig.« Während sie den Sachverhalt
schilderte, wurde ihr schon wieder übel. Diesmal war sie besser
gewappnet und konnte den Brechreiz zurückdrängen.
Es ist so entsetzlich, dachte sie.
»Deshalb also möchtest du Hals über Kopf nach
Südfrankreich. Nicht, weil irgend etwas mit dem Haus nicht in
Ordnung wäre«, stellte Elisabeth sachlich fest. Sie wurde
immer besonders sachlich, wenn etwas sie bewegte. »Du weißt,
wo er ist? Ich meine, er ist ja dann wohl nicht beim Segeln mit
seinem Freund?«
»Beim Segeln ist er nicht, das weiß ich. Aber wo er sich
stattdessen herumtreibt – keine Ahnung. Ich weiß ja nicht
einmal, wer die Frau ist, mit der er mich betrügt. Aber sein
letztes Lebenszeichen stammt aus St. Cyr.«
»Sicher?«
»Ich habe mit dem Wirt einer Pizzeria dort gesprochen. Peter
hat Samstag abend dort gegessen. Also war er da. Doch dann
verliert sich seine Spur.«
»Du glaubst, er ist mit dieser ... Frau zusammen?«
Laura wußte, dies alles war eine Tragödie für ihre Mutter,
die inzwischen das Spülbecken mit einer Vehemenz schrubbte,
als wolle sie es in seine Bestandteile zerlegen. Elisabeth würde
kaum damit fertig werden, eine Tochter mit gescheiterter Ehe zu haben. Wenn sie sich von ihrem Schock erholt hatte, würde
sie anfangen, unermüdlich nach einer Lösung für das Problem
zu suchen.
»Er hat Schwierigkeiten«, sagte Laura, »finanzieller Art.«
Das war einigermaßen untertrieben. Aber genauer wollte sie es
ihrer Mutter nicht schildern. »Ich könnte mir denken, daß er ...
weißt du, eine Art Kurzschlußreaktion ... vielleicht ist er
irgendwo untergetaucht.«
Elisabeth hatte noch nie die Neigung gehabt, Dinge zu
beschönigen.
»Du meinst, er hat sich womöglich zusammen mit dieser ...
Fremden irgendwohin ins Ausland abgesetzt und überläßt dich
und euer Kind einer
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