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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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hast du’s ertragen.«
»Du warst wieder da. Ich hatte dich nicht verloren.«
»Weil Peter tot war.«
»Aber damit habe ich nichts zu tun.«
Aus dem Gästeraum drangen laute Stimmen. Die Leute
wurden unruhig. Seit langem war niemand mehr erschienen,
um ihre Bestellungen aufzunehmen, und wer bereits bestellt
hatte, wartete schon ewig auf sein Essen. Henri begann stärker
zu schwitzen.
»Wir reden«, sagte er, »wir reden heute abend. Über alles.
Über uns. Über was du willst. Aber ich muß jetzt hier
weitermachen, sonst bricht das Chaos los. Das siehst du ein,
oder?« Er sah sie flehend an. »Hilfst du mir!«
Außer Haß konnte er nichts erkennen in ihren Augen.
»Nein«, sagte sie und verließ die Küche.
5
    Anne meinte, die Telefonate mit Laura kämen ihr allmählich
vor wie ein spannender Fortsetzungsroman, den sie leider nicht
verschlingen durfte, sondern in abgewogenen Häppchen
zugeteilt bekam.
    »Aber ich kann sicher sein, daß jedesmal, wenn du anrufst,
irgend etwas Neues und Unerwartetes geschehen ist«, sagte sie.
»Der gute Peter ist wirklich für manche Überraschung gut. Ich
hielt ihn immer für reichlich spießig. Und nun läßt er sich
irgendwo in der Einöde ermorden und präsentiert nach seinem
Ableben noch eine ganze Palette von Geliebten. Ganz
abgesehen von einem Geldkoffer, den er herumgeschleppt hat.
Er war durchtriebener, als ich dachte.«
    Es war Samstag nachmittag, kurz nach vier Uhr, und Laura
hatte die Freundin endlich erreicht, nachdem sie es zwei
Stunden lang vergeblich versucht hatte.
    »Ich war Mittagessen mit einem Typ, den ich gestern abend
kennengelernt habe«, hatte Anne erklärt, »aber entweder er
oder ich war bei unserer ersten Begegnung betrunken.
Jedenfalls hielt ich ihn für ungemein witzig und geistreich.
Tatsächlich ist er das nicht im geringsten. Ich bin schon beim
Aperitif beinahe eingeschlafen. Und als jetzt das Telefon
klingelte, hatte ich schon Angst, er könnte es sein, der hinter
mir hertelefoniert.«
    »Nein, ich bin es nur«, hatte Laura gesagt, und etwas in ihrer
Stimme mußte Anne signalisiert haben, daß etwas Ernstes
geschehen war, denn sie hörte sofort auf, von ihrer neuen
Eroberung zu erzählen, und fragte: »Was ist passiert?«
    Atemlos hatte sie gelauscht: dem Bericht von Peters
Ermordung, von dem vielen Geld, das man am Tatort gefunden
hatte, von Lauras Erkenntnis, daß Nadine Joly seine Geliebte
gewesen war, und von Camille Raymond, die auf die gleiche
Art ermordet worden war wie Peter und von der der
ermittelnde Kommissar – aber auch Laura selbst – überzeugt
war, daß sie zu Peter in irgendeiner Beziehung gestanden hatte.
    »Und welche Art von Beziehung ist wohl klar«, hatte Laura
hinzugefügt, und Anne hatte gemeint, daß auch sie irgendeine
amouröse Geschichte vermutete.
    Nach der Bemerkung über Peters unerwartete
Durchtriebenheit überlegte Anne eine Weile, und auch Laura
sagte nichts, weil sie sich plötzlich unendlich müde fühlte.
    Dann sagte Anne: »Weißt du, was ich merkwürdig finde? Du
und diese Camille Raymond – ihr habt ganz viel gemeinsam.«
»Du kanntest sie doch gar nicht.«
»Natürlich nicht. Ich meinte auch keine charakterlichen
Gemeinsamkeiten oder so etwas. Aber drei Fakten – drei nicht
ganz unbedeutende Fakten – stimmen überein: Ihr seid beide
jung, ungefähr Mitte Dreißig. Ihr habt jede eine kleine Tochter.
Und ihr seid beide Witwen.«
Laura war verblüfft. Was Anne sagte, stimmte, aber ihr
selbst war das bislang nicht aufgefallen.
»Aber ... was schließt du daraus?« fragte sie.
»Vorläufig – gar nichts. Ich kann mir noch kein Bild aus all
dem machen. Und vielleicht gibt es da auch gar keines.
Trotzdem fiel es mir plötzlich auf. Ein bißchen eigenartig ist es
schon, findest du nicht?«
Laura fragte sich, weshalb sie so ein seltsames Kribbeln in
ihrem Bauch spürte. Eine leise vibrierende Spannung, so als
verändere sich ihr Körper im Angesicht einer drohenden
Gefahr.
»Aber eines stimmt auf jeden Fall nicht überein«, sagte sie.
»Camille Raymond und ich hatten manches gemeinsam. Denn
sie ist jetzt tot. Und ich nicht. Und ich denke, dies ist ein
äußerst entscheidender Unterschied.«
Anne schwieg, und dann sagte sie in einem Ton, der
irgendwie unecht klang: »Ja, natürlich, du hast recht.«
Laura hatte den Eindruck, daß Anne sich Sorgen machte.
6
    Monique fühlte sich so, als führe sie ein Theaterstück auf mit
dem Titel Meine Rückkehr ins Leben

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