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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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stand doch jetzt so viel in der Zeitung. Von dem
Mörder, erinnerst du dich? Der diese Frau aus Paris in ihrem
Haus ermordet hat und vielleicht auch den Deutschen, den sie
oben in den Bergen gefunden haben. Und da dachte ich ... ich
dachte, ob ich vielleicht die nächste ...«
Stephane tat ihr nicht einmal den Gefallen zu lachen.
Vielleicht, dachte sie, kann man von keinem Mann erwarten,
daß er eine solche Geschichte – oder vielmehr: solch
eigenartige Episoden – ernst nahm. Aber er hätte lachen, sie ein
wenig aufziehen und schließlich in den Arm nehmen können.
Ihr versichern, daß er da sein würde. Daß ihr niemand etwas
tun konnte. Am Ende hätte sie sogar ein wenig in sein Lachen
einstimmen, sich ein bißchen befreit fühlen können.
Aber er sah sie nur an. Kalt. Und so, als empfinde er eine
tiefe Abneigung gegen sie.
»Pauline«, sagte er, »ich möchte nicht, daß du jetzt mit so
etwas anfängst. Verstehst du? Ich kann überspannte oder gar
hysterische Frauen nicht leiden. Ich habe keine Lust, mich mit
so etwas herumzuschlagen. Also, wenn dir weiterhin Autos
folgen und Killer vor deinem Fenster auftauchen, dann behalte
das bitte für dich. Setz dich allein damit auseinander. Aber
verschone mich bitte damit. Vor allem beim Essen.«
Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Die Bewegung,
mit der er seine Serviette zerknüllte und auf den Teller warf,
verriet seine Wut.
»Ich gehe irgendwohin einen Kaffee trinken«, sagte er und
verließ das Zimmer.
Pauline brach in Tränen aus.
4
    »Ich möchte wissen, wo du am Samstagabend warst«, sagte
Nadine, und in ihrer Stimme schwang wieder jene Schärfe, die
über den tragischen Ereignissen der letzten Tage
verlorengegangen schien. »Ich möchte über jede Minute
Bescheid wissen.«
    Henri hackte Zwiebeln. Es war heiß in der Küche,
Mittagszeit. Zwei Drittel aller Tische im Gastraum waren
immerhin besetzt, obwohl die Saison vorüber war. Er hatte so
etwas geahnt, hatte am Morgen schon überlegt, ob er Catherine
anrufen sollte, es dann aber wegen der überaus angespannten
Situation mit Nadine nicht gewagt. Wie erwartet, hatte er nun
das Nachsehen. Nadine dachte natürlich nicht daran, ihm zu
helfen, stattdessen versuchte sie zu allem Überfluß, ihn in ein
Gespräch zu verwickeln.
    »Nicht jetzt«, bat er. Für einen Augenblick hielt er inne und
wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich muß Mahlzeiten
für etwa vierzehn Personen aus dem Boden stampfen. Ich kann
nicht reden. Wenn du irgend etwas für mich tun willst, dann
übernimm das Servieren.«
»Ich will nichts für dich tun«, sagte Nadine.
    Sie war, dachte er gleichermaßen erschöpft wie verbittert,
wieder der gottverdammte Eisklotz, den er nur zu gut kannte.
»Mich interessieren weder deine Gäste noch was du ihnen
auf die Teller füllen wirst. Der Mann, den ich geliebt habe, ist
ermordet worden. Vermutlich am Samstagabend. Und ich will
wissen, wo du warst.«
Der Mann, den ich geliebt habe ... Es tat so weh, daß er
Mühe hatte, ein Stöhnen zu unterdrücken. So bewußt grausam
war sie ihm gegenüber noch nie gewesen. Es war, als habe sie
den Startschuß für neue Spielregeln gegeben: Von jetzt an wird
mit harten Bandagen gekämpft.
Keine Frage, wer dabei wem überlegen war.
Letztlich aber sowieso keine Frage, wer wem grundsätzlich
und immer überlegen war.
Obwohl er es gerade noch abgelehnt hatte, sofort mit ihr zu
reden, sagte er: »Wie kannst du so dumm fragen? Hier
herrschte Hochbetrieb. Ich hatte nicht mal Zeit, aufs Klo zu
gehen. Geschweige denn, in die Berge zu fahren und deinen
Liebhaber umzubringen.«
»Das kann stimmen oder auch nicht.«
»Ich kann dir nichts anderes sagen.«
»Wieso hast du an jenem Abend nicht Cathérine geholt?
Sonst stand sie doch so sicher wie das Amen in der Kirche hier
in unserem Haus und mühte sich, dir zur Hand zu gehen!«
»Ich wollte sie nicht sehen.«
»Wieso nicht? Sie war am Freitag da. Sie war am
darauffolgenden Sonntag da. Warum nicht am Samstag?«
Wieder wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Sie hatte
mir am Freitag gesagt, daß ... du und Peter ... o Gott, du weißt
doch, was am Freitag geschehen ist!«
»Und da wolltest du am Samstag lieber keinen Zeugen hier
haben?«
»Nein. Aber ich konnte sie nicht sehen. Ich wollte nicht mit
ihr sprechen. Ich wollte nicht, daß sie mich den ganzen Abend
über fragt, was ich jetzt tun werde. Ich hätte das nicht
ertragen.«
»Aber am nächsten Mittag

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