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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nur ein paar alte Damen, die damit jedoch auf völlig
verlorenem Posten standen. Keiner sonst im Haus sorgte sich
ernsthaft wegen irgendwelcher Gefahren.
    Im selben Moment läutete es schon wieder. Monique konnte
ungeduldige Klingler nicht leiden.
»Meine Güte, ich komme ja schon!« rief sie.
Als sie jedoch öffnete, war niemand zu sehen. Sie blickte
nach rechts und links, doch der Gang war leer. Sie runzelte die
Stirn. Sie hätte schwören können, daß ihr Besucher bereits hier
oben stand.
Auf der Treppe vernahm sie Schritte. Gleich darauf tauchte
Jeanne Versini auf. Diesmal trug sie ein perfekt geschnittenes
Chanelkostüm in verschiedenen Pastellfarben, passende
hellblaue Schuhe und eine hellblaue Handtasche mit der
typischen Goldkette. Ihr Anblick bewirkte, daß sich Monique
in ihrem etwas zu tief ausgeschnittenen kleinen Schwarzen
sofort billig vorkam.
»Oh«, sagte Jeanne, »entschuldigen Sie. Sie haben Besuch?«
Monique war einen Moment lang in Versuchung, ja zu
sagen, um wenigstens einmal im Leben den Anschein zu
erwecken, sie gehöre zu den geselligen, begehrenswerten
Frauen, die am Wochenende aufregende Kleider anzogen, um
aufregende Männer zu empfangen. Aber dann überwog die
Neugier zu hören, ob Jeanne etwas über Camille und deren
geheimnisvollen Freund herausgefunden hatte, und so sagte sie
statt dessen: »Nein, nein. Ich habe mir dieses Kleid heute
gekauft und mußte es einfach noch mal anprobieren.«
Einladend trat sie einen Schritt zurück. »Kommen Sie doch
herein. Möchten Sie ein Glas Wein?«
»Ich will wirklich nicht stören«, sagte Jeanne, folgte aber
dennoch der Aufforderung, einzutreten. Sie sah den festlich
vorbereiteten Eßtisch und stutzte erneut, registrierte dann wohl
aber, daß nur für eine Person gedeckt war, denn sie entspannte
sich gleich wieder.
»Ich finde es ja ein wenig leichtsinnig, daß man selbst
abends unten ohne Schwierigkeiten ins Haus hineinkann«,
meinte sie. »Nach Einbruch der Dunkelheit sollte schon
abgeschlossen sein, finden Sie nicht?«
»Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß Einbrecher es
auf dieses Haus abgesehen haben könnten. Reichtümer
vermutet hier bestimmt niemand«, sagte Monique.
»Ich habe jedenfalls unten geklingelt«, sagte Jeanne, »denn
ich stelle es mir unangenehm vor, zu so später Stunde zu
öffnen und einen unerwarteten Besucher bereits direkt vor der
Tür stehen zu sehen.«
Ihre Bemerkung erinnerte Monique an die Irritation, die sie
empfunden hatte, als sie niemanden vor der Wohnungstür
entdeckt hatte.
»Sie haben doch zweimal geklingelt«, vergewisserte sie sich.
Jeanne sah sie verwundert an. »Nein. Einmal.«
»Sicher?«
»Ganz sicher. Ich habe einmal geklingelt und bin dann gleich
hinaufgegangen.«
»Das ist merkwürdig«, sagte Monique, aber sie mochte das
Thema nicht mit Jeanne besprechen und ging darüber hinweg.
»Gibt es etwas Neues?« fragte sie, während sie ein zweites
Glas holte, Wein einschenkte und es ihrer Besucherin reichte.
»Schon«, meinte Jeanne zögernd, »aber es bringt uns wohl
nicht wirklich weiter.« Sie machte eine Kopfbewegung zum
Telefon hin. »Hat er sich gemeldet?«
»Nein. Ich finde das seltsam, aber vielleicht gibt es
irgendeinen einleuchtenden Grund. Wie ist es, möchten Sie mit
mir essen? Mein Fisch ist gerade fertig, ich kann leider nicht
warten. «
Jeanne lehnte dankend ab, sie esse abends nie, und Monique
dachte, daß dies wohl das Geheimnis ihrer grazilen Figur war.
Schließlich saßen sie einander am Tisch gegenüber, Jeanne
nippte an ihrem Wein, und Monique verzehrte Fisch und Salat.
Jeanne sagte, sie sei um sechs Uhr zu Isabelle gegangen, habe
dort eine halbe Stunde warten müssen, und dann sei Isabelle
nach Hause zurückgekehrt und habe zum Glück gleich Zeit
gefunden, mit ihr zu reden.
»Also, sie hat etwas gewußt von einem Mann in Camilles
Leben. Aber sie weiß auch nicht, wer er war, sie kennt keinen
Namen, keine näheren Angaben zu seiner Person. Sie ist
einmal morgens, im letzten Sommer, an dem Weg
vorbeigekommen, der zu Camilles Haus führt, und da fuhr ein
Wagen mit einem Mann entlang. Es war eine Uhrzeit, zu der
eigentlich niemand unterwegs ist, jedenfalls meint Isabelle,
man könne ausschließen, daß es sich um irgendeinen
Lieferanten oder Handwerker oder etwas Ähnliches handelte.
Es ging allerdings alles zu schnell, als daß sie sich das Gesicht
hätte einprägen können. Olálá, hat sie sich gedacht, da kehrt
wohl

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