Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
das auf Erden kriecht.« Vom Leben »im Einklang mit der Natur« ist in der Bibel nicht die Rede. Gott wird schon gewusst haben warum. Im Einklang mit der Natur zu leben bedeutet vor allem, im Einklang mit ihr zu sterben. Krankheit und Tod herrschen im Einklang mit der Natur. Für den Menschen liegt darin keine Hoffnung, sondern eine Bedrohung.
Herrschaft über die Natur, das ist eine Mission, die wir niemals erfüllen können.
Erst seit ganz kurzer Zeit sind wir da überhaupt ein Stück nach vorne gekommen, for better or for worse, wie man sagen kann. Wie lange dauert jetzt unsere Zivilisation? Zehntausend Jahre, ein bisschen mehr, ein bisschen weniger. Erst seit hundertfünfzig Jahren können wir überhaupt anfangen davon zu sprechen, dass wir der Natur nicht mehr völlig hilflos ausgeliefert sind. Von Beherrschung ist da noch keine Rede. Wie stand der Mensch in der Welt, viele Tausende von Jahren hindurch? Lesen wir nach, wie Georges Duby in seiner ZEIT DER KATHEDRALEN das Europa um das Jahr 1000 herum beschreibt:
»Sehr wenig Menschen – einsame Gegenden, die sich nach Westen, nach Norden und nach Osten erstrecken, unüberschaubar werden und schließlich alles bedecken – Brachland, Sümpfe, unstete Flussläufe, die Heide, das Dickicht und die Weiden, alle Arten verkümmerten Waldes als Hinterlassenschaft von Buschbränden und den flüchtigen Einsaaten der Brandroder – hier und dort Lichtungen, einmal erobertes, doch nur halbwegs gezähmtes Land, leicht kümmerliche Furchen, die die von mageren Ochsen gezogenen Holzgeräte auf dem widerspenstigen Boden hinterlassen haben; innerhalb dieses nahrungsspendenden Raums noch riesige Leerstellen, all die Felder, die man ein Jahr, zwei Jahre, drei und manchmal gar zehn Jahre brachliegen lässt, damit sich die Bedingungen ihrer Fruchtbarkeit im Ruhezustand auf natürliche Weise wiederherstellen – bescheidene, zu Weilern versammelte Wohnstätten aus Stein, Lehm oder Zweigwerk, umgeben von dornigen Hecken und einem Ring aus Gärten – gelegentlich inmitten schützender Palisaden der Wohnsitz eines Oberhaupts, ein offener Holzbau, Kornspeicher, Verschläge für die Sklaven, und, etwas abseits, die Feuerstelle der Küchen – ab und an, auf große Entfernungen, eine städtische Siedlung, die in Wirklichkeit nur noch ein von der ländlichen Natur durchdrungenes, verblichenes Skelett der römischen Stadt ist; von Pflugland umgebene Ruinenviertel, eine recht und schlecht ausgebesserte Einfriedung, Steinbauten aus der Zeit des Imperiums, die in Kirchen oder Zitadellen verwandelt worden sind; in ihrer Nähe ein paar Dutzend Hütten, in denen Weinbauern, Weber und Schmiede wohnen, jene Handwerker, die als Dienstmannen Schmuck und Waffen für den hochwürdigen Bischof und die Garnison fabrizieren; und schließlich zwei oder drei jüdische Familien, die gegen Pfand etwas Geld verleihen – schmale Pfade, die langen Züge frondienstleistender Lastenträger und kleine Barkenverbände auf allen Wasserläufen: das ist das Abendland im Jahre tausend.«
Jahrhunderte davor und danach sah das Leben des Menschen in der Natur nicht viel anders aus. Wenn man also die Zeilen aus der Genesis liest, die irgendwann zwischen 500 und 1500 Jahre vor unserer Zeitrechnung formuliert wurden, in einem abgelegenen trockenen Land, das seinen Bewohnern das Leben nicht eben leichtmachte, dann kann man sich wieder und wieder nicht genug wundern über diesen sonderbaren Auftrag, den der Mensch in der Morgendämmerung seiner Existenz von seinem Schöpfer erhalten hat: Herrschaft über die Natur lag damals in unvorstellbarer Ferne und dennoch klar vor Augen.
Im Garten kommen wir diesem Ziel noch am nächsten: Herrschaft, Kontrolle, Ordnung.
Wir können, im besten Fall, die Natur in unserem Garten einigermaßen kontrollieren, weil wir uns hier eine künstliche Natur schaffen. Ein Abbild von Natur, das der Gärtner mühsam herstellen und unterhalten muss. Wir finden Gärten schön, weil sie künstlich sind. Ich finde meinen Garten schön. Wenn der Frühling Einzug gehalten hat, wenn der Sommer gekommen ist, wenn der Herbst hindurchgeht. Ich liebe die Schönheit meines Gartens. Aber die Natur selbst ist ja nicht schön und sie ist auch nicht gut. Wir haben allen Grund, innezuhalten und diesen Gedanken zu wägen: In dem Maße, in dem wir glauben, sie besiegt zu haben, leisten wir es uns, die Natur zu beschönigen. Erst indem wir sie beherrschen, machen wir sie uns schön.
Weitere Kostenlose Bücher