Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Menge Gegenden, wo das auch die Praxis ist. Aber hier, wo der bedauernswerte Gärtner sein Dasein fristet, weit abgeschlagen im Nordosten des Landes, fern der temperierenden Einflüsse des Meeres, schon am Rande der weiten Ebenen Asiens, da sieht das leider ganz, ganz anders aus. Machen wir uns nichts vor: In Berlin ist von Dezember bis März Feierabend: Der Frost macht keine Gefangenen und selbst die tapfersten Durchblüher kapitulieren, wenn die Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt liegen. Und sie liegen hier regelmäßig sehr deutlich darunter:
Januar und Februar sind kalte Herrscher. Sie sind die Probe des Gärtners, sie testen seine innere Stärke.
Und es erweist sich, ob er, wie die Maus Frederick, im Sommer genügend Vorräte für die kalte Jahreszeit gesammelt hat. Wenn nicht, dann kommt die Ungeduld. Ich sitze am Fenster, gucke in die weißverschneite Ödnis hinaus und hoffe, dass es mir am Ende nicht geht wie Oscar Wildes selbstsüchtigem Riesen, von dessen Garten es heißt: »Die einzigen, denen (er) noch gefiel, waren der Schnee und der Frost. ›Der Frühling hat diesen Garten vergessen‹, riefen sie erfreut, ›wir werden das ganze Jahr über hier bleiben.‹« Und der Hagel »sauste, so schnell er konnte, quer durch den Garten. Er war ganz in Grau gekleidet und sein Atem war so kalt wie Eis.«
Natur
Wir wollen noch ein bisschen beim SELBSTSÜCHTIGEN RIESEN verweilen. Draußen liegt Schnee, Weihnachten ist in der Luft. Eine gute Zeit für Geschichten. Der SELBSTSÜCHTIGE RIESE ist im Jahr 1888 erschienen. Natürlich gehört das unbedingt hierher: Es geht um einen Garten, eine Mauer, es geht um Bäume, die blühen, und solche, die kahl sind, es geht um die Kälte und um die Liebe. Ein Märchen. Ein religiöses Gleichnis.
Der Riese ist sieben Jahre lang fort, zu Besuch beim Menschenfresser von Cornwall, der im Original »cornish ogre« heißt und in einer Übersetzung auch der »cornische Oger« genannt wird, was ganz hübsch ist, aber vielleicht weniger verständlich. Das Wort Oger, vom Englischen und Französischen Ogre, ist im Deutschen eigentlich erst so richtig mit dem Erfolg der Trickfilmfigur Shrek angekommen. Jedenfalls haben die Kinder den Garten des Riesen in seiner Abwesenheit erobert. Sie spielen und sind da, so heißt es, glücklich. Aber irgendwann kommt der Riese zurück: »Als die sieben Jahre um waren, hatte er alles gesagt, was er zu sagen hatte, denn seine Konversation war begrenzt.« Er trifft auf die Kinder und ist furchtbar zornig. »Mein Garten ist mein eigener Garten«, sagt der Riese. Er baut eine Mauer, und die Kinder bleiben ausgesperrt. Aber nicht nur sie. Von nun an geht der Frühling am Garten des selbstsüchtigen Riesen vorüber, die Blumen und Bäume blühen nicht mehr. Nur der Schnee und der Frost bleiben. Die beiden laden auch noch den Nordwind ein, bei ihnen zu wohnen. »Dies ist ein entzückendes Fleckchen«, sagt der Nordwind. »Wir müssen den Hagel zu Besuch bitten.« Zu viert hausen von nun an der Nordwind und der Hagel, der Schnee und der Frost in diesem Garten.
Als auch der Sommer ausbleibt und der Herbst sowieso, wird es dem Riesen ziemlich mulmig. Irgendwann hört er aber doch wieder Vogelgesang, blickt aus dem Fenster und sieht, dass durch ein Loch in der Mauer die Kinder in den Garten zurückgekommen sind. In jedem Baum sitzt ein Kind, und die Bäume blühen wieder.
Bis hierhin ist es eine ganz hübsche Geschichte. Aber wer sich leicht zu Tränen rühren lässt, muss sich jetzt auf einiges gefasst machen:
Auf einem Baum liegt noch der Schnee. Darunter steht ein kleines Kind. Zu klein, um hinaufzuklettern. Der Baum versucht, sich hinabzubeugen, vergeblich. »Und das Herz des Riesen schmolz, als er dies sah. ›Wie selbstsüchtig bin ich gewesen‹, sagte er, ›jetzt weiß ich, warum der Frühling nicht kommen wollte.‹« Er geht also hinunter und hebt den kleinen Jungen behutsam auf den Baum, der sich sogleich mit Blüten bedeckt. »Und der kleine Junge streckte seine beiden Arme aus und schlang sie um den Hals des Riesen und küsste ihn.«
Der Riese reißt die Mauer ein und wird der beste Freund der Kinder. »Ich habe sehr viele schöne Blumen«, sagt er. »Aber die Kinder sind die schönsten Blumen von allen.«
Der Riese wird nun alt. Aber der kleine Junge, der ihn geküsst hat, den er liebt, der kommt nicht wieder, solange der Riese auch auf ihn wartet.
Eines Tages, es ist wieder Winter, die Geschichte
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