Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Fernsehprogramme und die Eltern hatten Zeit für ihre Kinder und alle sind zusammen in den Wald gegangen.
Wir haben alle solche Bilder vom natürlichen Zustand im Kopf. Das unbeherrschbare Dickicht der Auwälder oder seelisch unbedenkliche Fernsehlandschaften mit nur zwei Programmen. Das sind so Ideale von Gleichgewichtszuständen. Es ist notwendig, solche Ideale zu haben. Der Biologe und der Arzt tun eine wichtige Arbeit und sie brauchen dafür ihre Leitbilder. Aber es ist darauf hinzuweisen, dass die Natur kein Gleichgewicht kennt und es strenggenommen gar keinen Naturzustand gibt. Wir erzeugen ihn in unserer Vorstellung.
Der Biologe tut das, wenn er an der Elbe nach seinen Vorstellungen einen Auwald anlegt, auf 6 von 1091 Flusskilometern. Weil er das für angemessener hält als den in Beton gepferchten Fluss – und weil der Auwald nebenbei vor den Gefahren des Hochwassers schützt. Und der Arzt tut das auch, wenn er seinen Patienten eine Kindheit vor dem Fernseher ersparen will, weil das nicht nur glücklicher macht, sondern sowohl gesundheitsprognostisch als auch kriminalpräventiv angeraten scheint. Wir sind eben allesamt Ingenieure, jeder in seinem Bereich, und was wir für Natur halten, entsteht in unserem Kopf.
Als Goethe nach Italien reiste, brachte er die Natur, die er suchte, mit sich: Er hatte sie daheim auf den Bildern gesehen und wollte sie nun nur noch wiederfinden. Endlich notierte er am 1. November 1786 erleichtert in Rom: »alles was ich in Gemälden und Zeichnungen … schon lange gekannt, steht nun beisammen vor mir …; es ist alles wie ich mir’s dachte.«
Immergrün
Das gehört jetzt nicht hierher, aber 1968 hat der Songwriter Jimmy Webb für den Country-Sänger Glen Campbell die Ballade vom WICHITA LINEMAN geschrieben. Ein wirklich schönes Stück. Es erzählt von der Einsamkeit des Streckengehers. Der Mann läuft für die Telefongesellschaft auf endlosen Wanderungen die Überlandleitungen entlang. Über ihm summen die Drähte und er hört darin die Stimme seiner fernen Liebsten. Er kommt dabei zu wirklich bemerkenswerten Einsichten: »And I need you more than want you«, singt er. Jemanden mehr brauchen als wollen – das ist ein Gedanke, mit dem kann man sich schon mal ein paar Meilen lang in der Gegend von Witchita, mitten im Herzen Amerikas, herumschlagen.
Er macht sich natürlich auch seine Gedanken über das Wetter, der Streckenmann: »And if it snows that stretch down south won’t ever stand the strain …« Daran muss ich immer denken, wenn es schneit. Und jetzt hat es geschneit! Wie selten zuvor. Ich habe es verfolgt vom Fenster aus, mit wachsender Sorge. Der Schnee liegt bei mir aber nicht auf den Telefonleitungen, die sind hier irgendwo in der Erde vergraben. Aber er lastet auf den Pflanzen.
Kirschlorbeer und Rhododendren tragen schwer an der Schneelast, niedergedrückt und jämmerlich verkrümmt. Ich wage kaum, ihnen den Schnee aus dem Geäst zu schütteln, da der Frost die Äste spröde gemacht hat wie Glas und ich nicht das Wachstum von Monaten und Jahren mit einer ungeschickten Bewegung vernichten will. Am schlimmsten aber hat es die Hortensien erwischt. Sieben herrliche Sträucher hatte ich im Herbst gepflanzt, in einer Reihe die Mauer entlang. Nun sind die einen gespalten, die anderen zerquetscht.
Ich habe dagegen kein zuverlässiges Rezept. Gehen Sie regelmäßig mit dem Besen raus und versuchen Sie vorsichtig den Schnee aus den Ästen zu bürsten. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dabei mehr Schaden als Nutzen anrichten, ist so groß, dass Sie es vielleicht doch besser bleibenlassen sollten. Es tut nur so schrecklich weh, den buchstäblichen Niedergang einer geliebten und geachteten Pflanze mitzuerleben.
Um den Kirschlorbeer ist es nicht schade. Dessen Tage sind ohnehin gezählt. Aber um die Rhododendren tut es mir leid. Und um die Hortensien. Die Hortensien gehören zu meinen liebsten Pflanzen.
Wenn Sie nur drei Pflanzensorten in Ihrem Garten setzen dürften, müssten Sie sich für Geranium, Hortensien und Funkien entscheiden.
Unter diesen dreien findet sich eine solche Fülle an Farben und Größen und Wuchsformen und Charakteren und Stilen, dass sich damit ein langes Gartenleben locker füllen lässt. Darum werden wir uns später noch gründlicher mit den Hortensien beschäftigen.
Mit dem Kirschlorbeer allerdings nicht mehr. Es ist in jedem Winter dasselbe: Der Frost geht nachts an die Pflanze, tagsüber setzt ihr die Sonne zu und sie
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