Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Ding so, wie wir es kennen, wenn wir uns die Mühe gemacht haben, uns auch die lateinischen Namen zu merken: Hepatica, Leberblümchen. Danach beginnt dann das weite Feld der Varietäten und Züchtungen und Hybriden.
Das bisher Gesagte ist schon kompliziert genug, klingt aber wenigstens so, als hätten die Botaniker die Sache einigermaßen im Griff. Leider stimmt das nicht.
Die Zuordnungen und Benennungen der Pflanzen sind ein ständiger Punkt des Disputs zwischen den Fachleuten, sie werden in den verschiedenen Ländern verschieden gehandhabt und sind im Lauf der Zeit veränderlich. Und dann kommt noch hinzu, dass der gärtnerische Namensgebrauch mit dem botanischen nicht immer übereinstimmt. Die Namen der Pflanzen, mit denen wir zu tun haben, sind wie die Namen von Geistern.
Nehmen wir mal eine wirklich bemerkenswert schöne Pflanze wie den Purpurdost. Ihr korrekter Name lautet Eutrochium purpureum. Das klingt nach unscheinbaren Wimpertierchen. In Wahrheit handelt es sich um eine denkbar prächtige Staude, die im Verlauf des Gartenjahres auf beachtliche zwei bis drei Meter Höhe wächst, auf kräftigen, biegsamen Stengeln steht, die spitzen, wohlgeformten Blätter von dunklem Grün, mit beeindruckenden rundlichen Fruchtköpfen geschmückt, die ein jeder aus Hunderten kleiner, blasslilafarbener Blüten bestehen. Man sieht da im Sommer die Bienen und andere Honigsammler ein und ausgehen, weil der Purpurdost so reich an Nektar ist. Es sieht wunderbar aus, wenn Sie einen ganzen Armvoll von den langen Trieben mit ihren prächtigen purpurfarbenen Blüten schneiden und in eine hohe Vase auf den Fußboden stellen. Dem botanischen Namen Eutrochium purpureum steht die gärtnerische Bezeichnung Eupatorium purpureum gegenüber – obwohl das Eutrochium eigentlich die Tribus bezeichnet, Eupatorium das Genus. Purpureum wiederum ist nur die Species. In meinem Garten kommt sie übrigens in der Subspecies maculatum ‘Atropurpureum’ vor.
Es gibt natürlich andere Systeme der Ordnung als die botanischen. Darauf verweist ja auch Borges’ fiktive Enzyklopädie. Das homöopathische System etwa. Es beruht auf dem Prinzip der Ähnlichkeit. Medizinisch überzeugt mich das nicht so sehr. Aber abgesehen davon, finde ich es eine großartige Idee, zwischen der Pflanze und der Krankheit eine Beziehung aufgrund der Ähnlichkeit herzustellen. Die Homöopathie schreibt dem Purpurdost heilsame Wirkung bei Nieren- und Blasenleiden zu. Also bei Krankheit und Leiden, die mit dem Flüssigkeitshaushalt des Körpers zu tun haben. »Menschen, die Eupatorium purpureum brauchen, wirken oft krank, zerschlagen und durstig«, sagt der Homöopathische Ratgeber. Ganz klar, weil das Eupatorium eine Pflanze ist, die selber viel Wasser braucht und auf Mangel daran sehr rasch mit einem entsprechend schlappen Gesamteindruck reagiert.
Aber mal Spaß beiseite: Wenn Sie sich im Lexikon anschauen, in wieviel verschiedenen Species der Dost vorkommt, werden Sie sehen, dass es ziemlich sinnlos ist, in eine Gärtnerei zu gehen und zu sagen: Einmal Dost bitte. Das wäre so, als würde man auf die Frage, was für ein Auto man fahre, einfach nur sagen: einen Mercedes. Oder, noch besser, einen Kombi. Oder, eines mit vier Rädern. Das sagt alles gar nichts aus. Ein bisschen genauer brauchen wir es schon. Leider leben wir in einer Zeit, die es mit der Genauigkeit nicht so genau nimmt. Die uns Zumutungen ersparen will. Aber ohne Zumuten keine Erkenntnis.
Und es ist ohne Zweifel eine Zumutung, die korrekten Namen der Pflanzen zu lernen und ihre Schreibweise. Trauen Sie den Gärtnereien nicht. Die wollen Ihnen das Leben leichtmachen und verkaufen Ihnen glatt eine Funkie macrophylla, dabei lautet ihr botanisch korrekter Name Hosta montana f. macrophylla Schmid, und zwar bitte auch genau in dieser Schreibweise. Die Pflanze kann durchaus auch als H. montana f. macrophylla verkauft werden. Und weil die American Hosta Society (AHS), die da in Namensdingen maßgebend ist, den Leuten ein bisschen Leine lässt und Verständnis für die Geschäfte hat, die auf ihren Etiketten auch nicht unbegrenzt Platz haben, wird auch noch die Bezeichnung H. montana macrophylla geduldet. Aber nur Funkie macrophylla? Das ist dann doch ein bisschen sehr knapp.
Da wir uns später im Buch noch mit den Funkien beschäftigen werden, bietet es sich an, die Regeln der korrekten Namensgebung und Schreibweise am Beispiel dieser großartigen Pflanze einzuüben. Wir richten uns dabei nach
Weitere Kostenlose Bücher