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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Tiennoppen mit beißendem Sarkasmus, während er in die Straßenbahn stieg. »Ich werde dich scharf im Auge behalten, Freundchen.« Und während die Straßenbahn bereits fuhr, schrie er mit drohend ausgestrecktem Zeigefinger: »Du wirst Bottinelli noch kennenlernen!«
    Als er sich einen Augenblick später umdrehte, sah er, daß der Mann auf der Verkehrsinsel zusammengebrochen war; ein paar Leute bildeten bereits einen Kreis um ihn.
    Mijnheer Tiennoppen nickte zufrieden sich selbst zu und suchte sich einen Sitzplatz. Der Schaffner gab ihm eine Fahrkarte und lächelte ihn dabei an. »Na, Mijnheer?« sagte er nach einigen Sekunden triumphierend, »habʼ ichʼs vorhergesagt oder nicht?«
    »Kann ich nicht abstreiten«, gab Mijnheer Tiennoppen zu.
    »Holland gegen Belgien: Drei zu Null, oder etwa nicht?«
    Wieder jemand, der mich verwechselt, dachte Mijnheer Tiennoppen. Dauernd scheine ich ein anderer zu sein. Ich bin dem Tode geweiht.
    Der bis ins Detail gepflegt wirkende, bereits etwas ältere Herr ihm gegenüber hatte schon einige Male tief geseufzt. Er war soeben erst eingestiegen, war zurückgeschreckt, als er sah, wer ihm gegenübersaß, und hatte dann zu seufzen begonnen, wobei er Mijnheer Tiennoppen kurze Blicke zuwarf. Interessiert begann Mijnheer Tiennoppen ihn zu mustern.
    »Verdammt, Steven«, sagte der Herr ganz plötzlich. »Bist du mir immer noch böse?«
    »Warum?« fragte Mijnheer Tiennippen überrascht.
    »Na ja, du hast mich nicht gegrüßt, und …«
    Mijnheer Tiennoppen mußte zugeben, daß er das tatsächlich nicht getan hatte, worauf sich der Herr gequält vornüberbeugte. »Bist du mir wirklich immer noch böse?« wiederholte er.
    Mijnheer Tiennoppen betrachtete interessiert seine Fingernägel.
    »Eigentlich schon. Ja«, sagte er nach einigen Augenblicken und sah sein Gegenüber ernst an.
    »Denkst du denn nie an Mutter, Steven?«
    »Aber sicher«, sagte Mijnheer Tiennoppen scharf. »Öfter als du! Aber trotzdem …«
    Mit mutloser Gebärde lehnte sich der andere zurück. »Ja, ich weiß«, nickte er. »Du mußt mich ja hassen …«
    Plötzlich beugte er sich wieder vor und sah Mijnheer Tiennoppen bittend an. »Bitte, Steven, ich bitte dich!«
    Mijnheer Tiennoppen runzelte nachdenklich die Stirn und sah in das schmerzlich verzogene Gesicht des Mannes. »Gib mir die Fünf«, sagte er spontan und streckte die Hand aus.
    Einen Augenblick lang konnte der Herr sein Glück gar nicht fassen; dann sprangen Tränen in seine Augen. Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte Mijnheer Tiennoppens Hände mit Küssen bedeckt. Gerade in dem Moment, da er möglicherweise damit angefangen hätte, winkte eine alte Dame auf der Einstiegsplattform Mijnheer Tiennoppen zu.
    »Entschuldige mich einen Augenblick«, sagte er. »Ich bin gleich wieder da.« Er stand auf und ging zu der Dame.
    »Ja, gnädige Frau?«
    »Gut, daß ich Sie sehe, Mijnheer Wijnbergen; bringen Sie mir doch morgen auch noch eine Teewurst mit. Sie wissen schon, so eine kleine, wie beim letztenmal. Die hatte ich vorhin zu bestellen vergessen.«
    »Geht in Ordnung, gnädige Frau.«
    »Schreiben Sieʼs lieber auf«, sagte die Frau, als Mijnheer Tiennoppen wieder gehen wollte. »Sonst vergessen Sieʼs womöglich noch.«
    Mijnheer Tiennoppen holte sein Notizbuch hervor und notierte die Bestellung, so gut und schlecht das in der rumpelnden Straßenbahn möglich war.
    »Kleine Teewurst für morgen. Schon geschehen, gnädige Frau.«
    »Auf Wiedersehen, Mijnheer Wijnbergen.«
    »Ich habe nur eine Bestellung aufgenommen«, erklärte er dem Herrn, als er ihm wieder gegenübersaß. »Wo waren wir stehengeblieben?«
    Der Herr zückte seine Brieftasche und entnahm ihr fünf Hunderter. »Willst du sie nun von mir annehmen?« fragte er hoffnungsvoll, während er die Brieftasche wieder wegsteckte.
    Zögernd sah Mijnheer Tiennoppen auf das Geld, das der andere nun zusammenzufalten begann.
    »Steck es doch bitte ein«, drängelte der Herr. »Dann sind wir wenigstens quitt. Schließlich war es meine Schuld.«
    Mijnheer Tiennoppen nickte bekräftigend, aber immer noch zweifelnd. »Wennʼs denn sein muß«, gab er nach und nahm die Banknoten an sich.
    Worauf habe ich mich nur eingelassen? fragte er sich im gleichen Augenblick und starrte verblüfft auf das Geld in seinen Händen. Ich reiße die ganze Gesellschaftsordnung aus den Fugen.
    Der Herr war bereits aufgestanden und verstaute seinen Schal im Mantel. »Ich muß hier raus, Steven. Mensch, wenn du wüßtest, wie ich

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