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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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mich fühle! Nach all den Jahren!« Er lief schnell zum Ausgang und konnte gerade noch rechtzeitig auf die Straße springen.
    Mijnheer Tiennoppen sprang auf und eilte ihm nach, aber die Straßenbahn fuhr bereits zu schnell, so daß er nicht mehr abzuspringen wagte. Er lehnte sich hinaus, entdeckte den Herrn zwischen den Menschenmassen und winkte mit den Geldscheinen, die er ihm um jeden Preis zurückgeben wollte. Ausgelassene Tanzschritte aufführend winkte der Herr zurück und verschwand in einer Seitenstraße.
    Ebenfalls tanzend, allerdings vor Ungeduld, wartete Mijnheer Tiennoppen auf die nächste Haltestelle. Wenn er ihm das Geld nicht zurückgab, wäre die ganze Weltgeschichte verdorben!
    Als er ausstieg, sah er – die Haare stiegen ihm zu Berge –, daß es bereits zu spät war.
    Nicht in der Lage, sich fortzubewegen, stand er auf der Verkehrsinsel und starrte um sich. Er begann vor Angst zu schwitzen.
    Mann und Frau, Kind und Tier: alles grüßte ihn.
    Die, die auf der Verkehrsinsel standen und warteten, nahmen die Hüte vor ihm ab oder nickten ihm freundlich zu. Frauen lächelten anerkennend. Aber auch auf den vollen Bürgersteigen kannte ihn jeder und grüßte, winkte, verbeugte sich oder lachte; auch in den Geschäften sah er winkende Hände, aus Häusern und Dachgeschossen; sogar ein Schornsteinfeger, schwindelerregend hoch in der Luft, rief einen Gruß. Die ganze Welt wandte sich Mijnheer Tiennoppen wohlwollend zu, wie einem alten Bekannten, einem Freund aus vergangenen Tagen. Ein Schäferhund kam angerannt und sprang bellend an ihm hoch. Sogar ein Pferd nickte ihm zu.
    Und dann machten sich alle auf, ihm die Hand zu schütteln und begeistert auf die Schulter zu klopfen, sahen nach links, sahen nach rechts und strömten über die Straße. Autos stoppten, die Türen flogen auf, Radfahrer stiegen ab – sie kamen von nah und fern und alle auf ihn zu …
    »Hilfe …«, murmelte Mijnheer Tiennoppen.
    Er zitterte. Ein unbeschreibliches Gefühl der Einsamkeit überfiel ihn und jagte ihn davon. Leichenblaß begann er fortzulaufen; quer durch den Verkehr, seine Angst wie einen Zebrastreifen vor Augen. Er achtete nicht darauf, in welche Richtung er lief; durch Gassen, vorbei an Gärten und Fabriken, blindlings, aber er sah immer noch vorbeihuschende Gesichter, die ihn grüßten: errötende Mädchen, abgehärmte Arbeiter, verkümmerte Intellektuelle, enttäuschte Ehemänner. Sobald sie ihn sahen, wurden sie fröhlich.
    Etwas später kam er durch eine belebte Straße, wo Schuljungen hinter ihm herzurennen begannen, während sie mit ihren Heften winkten, daß er sie korrigieren solle. Er fühlte sich an den Kleidern festgehalten, und eine Frau mit aufgelöstem Haar drückte ihm einen Säugling ins Gesicht. »Haltet ihn!« zeterte sie. »Er ist der Vater meines Kindes! Hier, du Lump, da hast duʼs!«
    Mijnheer Tiennoppen warf ihr die fünf Hunderter zu und riß sich los. Keuchend hetzte er weiter. »Ich bin ein Schuft gewesen«, murmelte er. »Ich hätte sie heiraten müssen. Ich bin ein Schuft …« Ein Messer schien seine Milz zu durchschneiden, und stöhnend blieb er stehen.
    Im gleichen Augenblick heulte ein Motorrad mit Beiwagen heran und hielt dicht vor ihm auf dem Bürgersteig. Zwei Polizisten stürzten auf ihn zu. Während der eine ihn festhielt und schnell seine Taschen abtastete, ließ der andere Handschellen um Mijnheer Tiennoppens Handgelenke klicken.
    »Was ist los?« schrie Mijnheer Tiennoppen. »Was wollen Sie?«
    »Keine dummen Späßchen, Franken!« erwiderte der eine Polizist.
    »Ich heiße nicht Franken, ich heiße Tiennoppen, und ich bin unschuldig!«
    »Mach keine Umstände!« sagte der Polizist und fuchtelte mit seiner Pistole herum. »Setz dich in den Beiwagen und mach keine falsche Bewegung!«
    »Was wollt ihr von mir?« schrie Mijnheer Tiennoppen, als er im Beiwagen saß. »Wo bringt ihr mich hin?«
    »Da, wo du hingehörst«, sagte der andere Polizist und fuhr an, während der erste, der auf dem Sozius saß, seine Pistole auf Mijnheer Tiennoppen gerichtet hielt. »Und ein zweites Mal gehst du uns nicht durch die Lappen, Freundchen. Morgen früh gehtʼs nämlich zur Exekution.«
    »Was denkt ihr denn, wer ich bin?«
    »Wir denken gar nicht. Wir wissen , daß du Franken bist, ein Kriegsverbrecher und zum Tode verurteilt.«
    »Das ist nicht wahr!« brüllte Mijnheer Tiennoppen und fuchtelte mit seinen gefesselten Armen herum.
    »Schön ruhig bleiben, Franken!«
    »Ich gleiche ihm doch

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