Die Tagebücher (German Edition)
Burtons eigene Worte nicht wie bei Bragg (oder jedem anderen Biografen) an einer Stelle und zu einem Thema, die jeweils von Bragg selbst ausgewählt wurden, sondern hier vernehmen wir Burtons Stimme unvermittelt, direkt, klar und vollständig.
Das erste Prinzip bei der Herausgabe der Tagebücher bestand darin, jegliche Bedeutungsänderung des Textes zu vermeiden. Wo der Inhalt mehrdeutig ist, wurde er so gelassen, so bleibt es den Lesern überlassen, über die Bedeutung zu entscheiden. Wo sich Richard Burton allerdings eines anderen besann und Wörter oder Passagen durchstrich oder veränderte, wird dies respektiert.
Der zweite, dem ersten klar untergeordnete Grundsatz war, alle unnötigen Hindernisse, die sich der Lesbarkeit und Zugänglichkeit in den Weg stellen, zu beseitigen. Wo die korrekten Schreibungen außer Frage stehen, wäre es unsinnig, die Leser durch die Bewahrung von Tipp- und Rechtschreibfehlern zu irritieren oder zu verwirren. (Es lässt sich von Richard Burton nicht behaupten, dass seine Rechtschreibung »so durchgängig gut war, dass seltene Abweichungen erhalten werden«, wie dies von Virginia Woolf gesagt wurde.) Abkürzungen wurden in der Regel ausgeschrieben,Klein- und Großschreibung sowie Interpunktion vereinheitlicht, sofern der Text dadurch inhaltlich nicht beeinträchtigt wurde. Das Und-Symbol (&), sofern kein fester Bestandteil eines Namens, zum Beispiel eines Geschäfts, wurde durch »und« ersetzt, das gelegentliche »···« durch »also«. Der handschriftliche Text setzt die Titel von Filmen oder Büchern in Anführungsstriche; stattdessen werden sie hier kursiv gesetzt. Solche Veränderungen wurden stillschweigend vollzogen, d. h. ohne eigens in einer Fußnote darauf hinzuweisen. Der Text wurde zudem in konsistenter Weise formatiert, sodass die Datumsangeben in standardisierter Form erscheinen.
Was die Fußnoten betrifft, so sollen sie Zusatzinformationen bieten, die für das Textverständnis notwendig oder hilfreich sind. Wo keine klärende Fußnote steht, waren keine weiteren Informationen zu einer Person oder einem Ort auffindbar respektive nötig.
Buch- und Filmverweise wurden nach Möglichkeit geklärt. Wo Burton ein Gedicht, ein Theaterstück oder Buch zitiert, war es meist möglich, die entsprechende Zeile oder Passage aufzufinden und (zuweilen korrigierende) Kontextinformationen bereitzustellen.
Wie Virginia Woolf schrieb, muss ein Biograf »bereit sein, widersprüchliche Lesarten desselben Gesichtes zuzulassen«. Weder der Tagebuchschreiber noch erst recht der Herausgeber können natürlich als Biografen verstanden werden, und es ist ein großer Unterschied, ob man ein Tagebuch oder eine Autobiografie schreibt, welche Ansprüche auch immer für das alles umfassende Genre »schriftlicher Lebenszeugnisse« erhoben werden. Doch Woolfs Bemerkung drängt uns, das fragmentarische Wesen individuellen Lebens anzuerkennen, den konstruierten Charakter jeder sich kohärent wähnenden persönlichen Identität und die Schwierigkeiten, mit denen jeder Versuch zu ringen hat, sich dem »Wesen« eines Menschen zu nähern.
Richard Burton war ein vielschichtiger, widersprüchlicher, von widerstreitenden Gefühlen beherrschter Mensch. Dafür gibt es in seinen Tagebüchern wie in anderen Zeugnissen seines bewegten Lebens Belege in Hülle und Fülle. Es wäre voreilig zu behaupten, die Tagebücher offenbarten den »wahren« Richard Burton, nicht zuletzt, weil nicht klar ist, warum der Burton, der ruhig an seinem Schreibtisch sitzt, um das Erlebte des vergangenen Tages niederzuschreiben, automatisch als aufrichtiger betrachtet werden sollte als jener Burton, dessen Eskapaden die Zeitungsspalten füllten.
Dennoch, man darf wohl sagen, dass aus den Selbstzeugnissen ein vielseitigerer Burton auftaucht als das Bild von ihm, das gegenwärtig in der öffentlichen Sphäre zirkuliert. Wir finden hier Richard Burton, den gefeiertenSchauspieler, den internationalen Filmstar und berühmten Jetsetter, aber wir entdecken auch den Familienmenschen, Vater und Ehemann Richard Burton. Die Tagebücher offenbaren den melancholischen, leidenden, besorgten, introspektiven Burton, der mit seinen verpassten Chancen und dem unerfüllte Potenzial seines Lebens und Talents hadert, und sie zeigen uns den Burton, der zu Recht stolz auf seine Leistungen und seine Lebensreise ist, hungrig darauf, noch größere Höhen zu erklimmen. Auf den Seiten seines Tagebuchs sehen wir einen Richard Burton, der auf sein Gewicht
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