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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der Umgebung die letzten Ziegen aus den Ställen geholt, um sie zu schlachten, und die Weiber mussten sich vor ihnen im Wald verstecken, und das mitten im Winter. Ich habe ein paarmal daran gedacht, mit Waffengewalt gegen diese Hunde vorzugehen, aber da sie meinen armen Soldatskis mehr als zehnfach überlegen sind, hätte es ein Blutbad gegeben.«
    Der Major schien froh zu sein, sich seinen Ärger von der Seele reden zu können. Sergej empfand jedoch kein Mitleid mit ihm. Es wäre seine Aufgabe gewesen, für ausreichende Vorräte zu sorgen, anstatt das Furagieren den angeworbenen Steppenreitern selbst zu überlassen. Die Bauern hätten zwar so oder so ihr Vieh verloren, aber es wäre nicht zu Gewalttaten gekommen.
    Ein wenig von seiner Verachtung musste sich auf seinem Gesicht abgezeichnet haben, denn der Major schnaubte kurz und erklärte,dass er nicht gewöhnt sei, mit Steppengesindel umzugehen. »Ich weiß nicht, was der Zar sich dabei denkt, diese Steppenräuber in unser geheiligtes Russland zu holen. Da sind mir ja selbst die Schweden lieber.«
    »Das kann ich mir vorstellen! Wenn die Schweden Frauen vergewaltigen, sehen die Kinder hinterher wie Russen aus, während man bei von Kalmücken oder Tataren gezeugten Kindern nicht verbergen kann, dass ihren Müttern Gewalt angetan wurde.« Sergejs Lippen krauste ein spöttisches Lächeln, während sein Blick unwillkürlich auf Bahadur fiel. Wenn dieser Tatar ein Mädchen schwängert, wird man dem Kind nicht ansehen können, dass ein Asiate es gezeugt hat, fuhr es ihm durch den Kopf.
    Tatsächlich war Schirin in ihrer Uniform kaum noch etwas von ihrer tatarischen Herkunft anzusehen, und da sie Russisch mittlerweile korrekter und flüssiger sprach als die Leute niederer Stände, verriet nur noch der Name Bahadur, dass sie nicht als Untertan des Zaren geboren worden war.
    Sergej riss den Blick von dem hübschen Gesicht seines Fähnrichs, schwang sich aus dem Sattel und folgte dem Major in den Schweinestall, den dieser als Kommandantur bezeichnete. Die Hütte war nicht mehr als ein Loch, in das zum Glück nicht genug Licht fiel, um all den Schmutz erkennen zu können, der sich dort angesammelt hatte. Der Tisch war so verklebt, dass Papiere ebenso darauf haften blieben wie der Teller mit Fleischsuppe, die der Major gerade gelöffelt hatte. In den Ecken zeugten unzählige Flaschen von den Besäufnissen der letzten Jahre, und in einem Bündel, dem ein widerlicher Geruch entstieg, steckte vermutlich die gesamte Garderobe des Offiziers.
    Der Major suchte in dem wirren Haufen Papiere, die er auf einer Seite des Tisches zusammengeschoben hatte, ein Blatt heraus und reichte es Sergej. »Hier, unterschreibt, dass Ihr diese Halsabschneider übernommen habt, und verschwindet mit meinem Segen.«
    Sergej nahm das Schreiben, trat damit zu der müde flackernden Tranfunzel, die neben dem Teller brannte, und las es sorgfältigdurch. »Hier steht etwas von Vorräten und Bagage, die wir erhalten sollten!«
    »Was ich nicht habe, kann ich nicht hergeben«, blaffte der Major zurück, konnte allerdings einen gewissen Ausdruck des Unbehagens nicht vermeiden. Anscheinend hatte er zugelassen, dass die Sachen bereits im Vorfeld verschoben wurden. Da der Sold immer sehr zögerlich ausbezahlt wurde, hielten sich viele Kommandanten auf diese Art schadlos, doch Sergej war nicht bereit, sich so einfach abspeisen zu lassen.
    »Wir werden nachsehen, was sich in Euren Magazinen befindet, und uns das nehmen, was wir brauchen«, erklärte er mit scharfer Stimme.
    Der Major fuhr wütend auf. »Wie käme ich dazu, mir von einem untergeordneten Offizier Befehle erteilen zu lassen?«
    »Ich kann auch nach Sankt Petersburg zurückreiten und Väterchen Apraxin mitteilen, was ich hier gesehen habe.« Sergej wusste, dass Apraxin ihn dafür von seinen Ordonanzen zur Tür hinauswerfen lassen würde, aber er hoffte, dass der Kommandant über die Verhältnisse in Sankt Petersburg nicht so genau Bescheid wusste.
    Tatsächlich kaute der Major nervös auf seinen Lippen herum. »Also gut, nehmt, was Ihr brauchen könnt, und dann verschwindet mit diesen Söhnen des Teufels. Da sind mir die Schweden ja tausendmal lieber.«
    »Das sagtet Ihr bereits. Ich glaube aber nicht, dass der Zar der gleichen Meinung ist.«
    »Pah! Pjotr Alexejewitsch wird bald in dem Kloster sitzen, in das ihn der Schwedenkönig stecken will, und dann ist der Zarewitsch der neue Großfürst. Alexej Petrowitsch wird Russland wieder zu dem machen, was es

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