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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sagte er ein wenig neidisch.
    Schirin sah ihn etwas unglücklich an. »Das mag sein, aber ich weiß sie nicht zu laden!«
    »Gib her! Ich bringe es dir bei.« Kitzaq nahm ihr die Pistole aus der Hand und führte ihr vor, wie sie sie schussfertig machen musste. Als er fertig war, schlug er die scharfe Waffe auf einen Wachtposten an, der vor der Palisade stand, und machte dabei ein Gesicht, als würde er am liebsten abdrücken. Als Schirin schon das Schlimmste befürchtete, lachte er auf und reichte ihr die Waffe.
    »Komm mit! Wir müssen ein geeignetes Ziel für dich suchen. Dein russischer Häuptling starrt mich schon an, als wolle er mir die Pistole aus der Hand prügeln.«
    Schirin sah zu Sergej hinüber, der sie und Kitzaq mit grimmiger Miene beobachtete, und fragte sich, womit sie ihn erzürnt haben konnte. Sie wandte ihm den Rücken zu und folgte Kitzaq zu einem abgestorbenen Baum, dessen zersplitterter Stamm wohl schon oft als Zielscheibe gedient hatte. Als sie die Waffe hob, zitterte sie zunächst so sehr, dass sie Mühe hatte, richtig zu zielen. Sie holte tief Luft, verharrte ganz still und zog den Hahn durch. Ein leises Klicken ertönte.
    Kitzaq kicherte leise. »Bevor du schießt, musst du den Hahn spannen, so wie ich es dir eben gezeigt habe.«
    Schirin holte das Versäumte nach, drückte ab und nahm verdattert wahr, wie der Rückstoß den Lauf der Waffe nach oben schnellen ließ.
    »Du musst den Kolben der Waffe beim Schuss fest in der Hand behalten,sonst triffst du alles andere, nur nicht dein Ziel«, erklärte Kitzaq ihr amüsiert.
    Schirin blickte ihn warnend an, denn sie hatte keine Lust, sich von ihm verspotten und wie ein kleines Mädchen behandeln zu lassen. Es reichte ihr schon, dass Sergej immer noch mit einem Gesicht zu ihr herüberstarrte, als bedauere er seine Großzügigkeit. Sie lud die Pistole, legte ein zweites Mal an und traf zumindest den Stamm, wenn auch nicht den Aststumpf, den Kitzaq ihr als Ziel gewiesen hatte.
    Sie konnte nicht sehen, dass Sergej in diesem Augenblick erleichtert nickte. Mittlerweile war ihm klar geworden, dass es seine Aufgabe gewesen wäre, Bahadur in die Kunst des Pistolenschießens einzuweisen. Dann hätte der Junge auch nicht diesen krummbeinigen Steppenräuber um Hilfe bitten müssen. Er kam zu dem Schluss, dass Bahadur noch das geringste der Probleme war, mit denen er sich herumschlagen musste, und wandte sich seinen eigentlichen Pflichten zu.
    Er rief seine künftige Truppe zusammen und musterte die Männer. Die Schar war zu groß, um von ihm und Wanja allein kommandiert zu werden, und während er durch die Reihen schritt und sich die Leute, die wie Anführer aussahen, vorstellen ließ, wünschte er, Stepan Raskin und andere seiner Offiziersfreunde aus Sankt Petersburg wären bei ihm. Bahadur war zu unerfahren, um das Kommando über eine Abteilung übernehmen zu können, und so entschloss er sich schweren Herzens, drei der Reiter zu Unteranführern zu ernennen. Seine erste Wahl fiel auf Kang, den Häuptling der Kalmücken, dessen dreihundert Mann den Hauptteil der Truppe ausmachten, seine zweite auf den Baschkiren Ischmet, der immerhin einhundertzwanzig Leute mitgebracht hatte, und schließlich entschloss er sich, Bahadurs Stammesgenossen Kitzaq die zusammengelaufene Truppe von Halsabschneidern anzuvertrauen, die mit noch einmal gut hundert Leuten den Rest der Schar bildete. Diese Wahl war ihm nicht leicht gefallen, denn ihn reizte die familiäre Vertrautheit zwischen seinem Fähnrich und dem Tataren. Aber er erkannte bald, dass er das Richtige getan hatte, denn die Reiter, die Kitzaq unterstelltworden waren, akzeptierten den Mann, dessen kraftvolle Bewegungen und dessen zernarbtes Gesicht ihn als harten Krieger auswiesen.
    Auch für Bahadur hatte Sergej eine wichtige Aufgabe. Auch wenn seine kleine Armee nur aus einem Haufen abgerissener Steppenkrieger bestand, so handelte es sich um Soldaten des russischen Heeres mit Anrecht auf eine eigene Fahne. In einem Abstellraum der Festung war Sergej bei der Suche nach Vorräten auf ein Banner mit dem Bildnis des heiligen Georg gestoßen, der einen Drachen niederwarf, und das ließ er von Wanja an einer Stange befestigen.
    »Bahadur, du führst unsere Fahne und bist damit endlich ein richtiger Fähnrich!«, erklärte er fröhlicher, als er sich fühlte.
    Schirin starrte leicht skeptisch auf das bunte Tuch und blickte dann Sergej fragend an. »Was soll ich damit?«
    »Das ist unser Feldzeichen! Wanja besorgt dir noch

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