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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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den Stall schaffen, damit er sich gründlich waschen kann.«
    Kitzaq keuchte überrascht auf. So einen herrischen und gleichzeitig herablassenden Tonfall war er von Schirin nicht gewohnt, und er ärgerte sich, so verächtlich in den Stall abgeschoben zu werden. Er wollte schon wütend protestieren, nahm aber Schirins warnendes Blinzeln wahr und begriff, dass sie hier den jungen russischen Offizieren gleichgestellt war, während er selbst als einer der Wilden galt, vor denen man normalerweise die Türen verschloss.

XII.
    Als sich die Gäste des Fürsten am Abend im großen Saal seines Palasts versammelten, saß Schirin in frischer, sauberer Kleidung und nach Lavendelseife duftend neben Sergej und hob spöttisch die Augenbrauen, als Stepan Raskin prüfend in ihre Richtung schnupperte. Man konnte dem jungen Leutnant ansehen, dass er am liebsten neben seinem tatarischen Freund Platz genommen hätte, wohl um endlich seine Neugier zu stillen, aber er wurde unnachsichtig an das andere Ende der Tafel zu Kang und Ischmet verwiesen. Die Lakaien wollten auch Kitzaq wegscheuchen, der sich kurzerhand neben Schirin gesetzt hatte, aber nach ihrem Hinweis, der Tatar sei einer der beiden Helden, die ihn, Bahadur, aus dem schwedischen Lager befreit hätten, verneigten die beiden Diener sich respektvoll und zogen sich zurück.
    Schirin gefiel weder die Tatsache, zwischen Sergej und Kitzaq eingekeilt zu sein, noch die Mengen an Wodka, die für die Trinksprüche ausgeschenkt wurden. Um des lieben Friedens willen durfte sie das Getränk nicht zurückweisen, und sie bedauerte bald, dass Wanja nicht neben ihr saß. In seiner Gesellschaft hätte sie jedes Mal nur einen Schluck nehmen müssen, denn der Wachtmeister verstand es, blitzschnell die Gläser zu vertauschen und auszutrinken. Kitzaq trank nur mäßig und stellte trotz einiger missbilligender Blicke nach jedem Trinkspruch das fast noch volle Glas zurück auf den Tisch. Schirin entschloss sich, es ihm gleichzutun, denn der Gastgeber ließ auf sich warten und damit auch das Essen, das die schlimmsten Folgen des scharfen Getränks gemildert hätte.
    Apraxin erschien erst nach einer guten halben Stunde. »Die Herren werden meine Verspätung wohl verzeihen, ich habe unserem Väterchen Zar rasch einen Brief geschrieben, um ihn über den glücklichenAusgang des schwedischen Vorstoßes zu informieren und ihm zu versichern, dass Sankt Petersburg nicht mehr bedroht ist. Auch wenn ich ihm in der Kürze der Zeit nicht die genauen Umstände der Rettung seiner Stadt habe mitteilen können, so wollte ich ihm die Teilnehmer dieses Streifzugs ans Herz legen.« Er nickte Sergej und Bahadur freundlich zu und befahl den Dienern, das Mahl aufzutragen.
    »Heute ist zwar einer der Fasttage, den unsere heilige Religion vorschreibt«, fuhr er fort, »doch da wir ein so freudiges Ereignis zu feiern haben, werden Gott und die Heiligen gewiss ein Auge zudrücken – und von unseren frommen Popen schaut uns ja keiner zu.«
    Die Männer brachen in pflichtschuldiges Lachen aus, das angesichts der hoch beladenen Tabletts, die nun hereingetragen wurden, schnell verebbte. Einige der jüngeren Offiziere, die noch nicht in den Genuss von Apraxins Gastfreundschaft gekommen waren, starrten neugierig auf die Speisen und jubelten überrascht auf, denn solche Köstlichkeiten bekamen sie sonst nie vorgesetzt. Das Essen begann mit einer Fleischklößchensuppe, bei der man, wie Schirin naserümpfend bemerkte, nicht mit Schweinefleisch gespart hatte, und danach gab es Spanferkel, das kräftig mit Bier und Wodka eingepinselt worden war, gegrillten Stör und geräucherten Lachs, als Zwischengang Piroggen mit fein gehacktem Gemüse und Schweinemett und schließlich die gebratenen Hähnchen, auf die Schirin sich schon gefreut hatte. Zu ihrem Leidwesen aber verzichtete der Gastgeber zugunsten einiger Runden Wodka auf das Servieren des Nachtischs.
    Als die Reste des Mahls abgetragen worden waren, forderte Apraxin Sergej auf, ausführlich Bericht zu erstatten. Der junge Hauptmann streifte die Verwüstungen in Karelien mit ein paar dürren Worten und konzentrierte sich hauptsächlich auf die Attacken auf die schwedische Armee und die anschließende Irreführung Lybeckers durch Bahadur. Dabei strich er die Rolle, die sein Fähnrich gespielt hatte, stark heraus und erwähnte seine eigene nur am Rande. Der Gouverneur hörte ihm gespannt lächelnd zu und stellte zwischendurch immer wieder Fragen. Als Sergej endete, schien er mitdem

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