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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Bahadurow treu zur Seite gestanden und soll daher auch nicht leer ausgehen.«
    Fürst Apraxin ließ sich von einem Diener einen Beutel reichen und drückte ihn Kitzaq in die Hand. Dieser löste die Schnur, sah neugierig hinein und blickte auf etliche frisch geprägte Goldrubel. Es war mehr, als er je an Gold und anderem Besitz sein Eigen genannt hatte, und während er die Münzen zählte, stellte er sich vor, wie viele Pferde und Schafe er sich für diese Summe würde kaufen können. Die Tatsache, dass er ein heimatloser Flüchtling war, minderte seine Begeisterung ein wenig, aber dennoch war er nicht unzufrieden, denn Kangs Kalmücken wie auch die Baschkiren hatten ihm schon angeboten, ihn mit zu ihren Stämmen zu nehmen, die die reich gewordenen Krieger gewiss wieder aufnehmen würden. Noch ein oder zwei solcher Beutel, dachte er zufrieden, dann würde er sich die Tochter eines Anführers als Frau kaufen und ein bedeutender Mann im Stammesgefüge werden können. Der Wert seiner bisherigen Beute machte ihn auch ohne das Gold schon zu einem wohlhabenden Mann, und er gedachte noch eine Weile an diesem Krieg teilzunehmen. Mit einem innerlichen Kopfschütteln stellte er ganz nebenbei fest, dass nur er einen gewissen Gegenwert für seinen Kampfeinsatz in der Hand hielt. Schirin und Hauptmann Tarlow würden abwarten müssen, ob es dem Zaren beliebte, auf Apraxins Vorschläge einzugehen.
    Während der Gouverneur und die Offiziere den Wodka beinahe schneller tranken, als die Diener ihn herbeischaffen konnten, hielt Sergej sich zurück, weil er wusste, dass Bahadur Säufer verabscheute. Er trank nur Wodka, wenn ihm die Trinksprüche keine andereWahl ließen, und begnügte sich dazwischen mit ein paar Schlucken Wein. Seine Hoffnung, dem Fähnrich damit zu imponieren und sich mit ihm unterhalten zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Bahadur antwortete nur einsilbig auf seine Bemerkungen, und als er das arg einseitige Gespräch darauf brachte, dass Khan Möngürs Lieblingsfrau Zeyna nicht Bahadurs Mutter sei, bekam er gar keine Antwort mehr.
    So versuchte er auf direktem Weg, den Panzer des Jungen zu durchdringen. »Wenn man dich mit Kitzaq vergleicht, könnte man tatsächlich vermuten, deine Mutter sei eine Russin gewesen. War es diese Mamuschka, nach der du ein paarmal im Schlaf gerufen hast?«
    Bahadurs Gesicht wurde bleich und starr, und für einen Augenblick fürchtete Sergej, der Junge würde aufspringen und die Tafel verlassen – eine Handlung, die Fürst Apraxin unweigerlich verärgert hätte –, doch ein mit Schlamm bespritzter Kurier, der erschöpft in den Raum taumelte, lenkte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Der Mann blieb keuchend vor Apraxin stehen und streckte ihm seine Kuriertasche entgegen.
    »Unsere Truppen haben bei Holovczyn eine Schlacht gegen Carl von Schweden verloren, konnten sich aber geordnet zurückziehen«, platzte er heraus.
    Das Auftauchen von Lybeckers Dragonern im Saal hätte keine schlimmere Wirkung haben können. Alle Gespräche verstummten, und die von Wein und Wodka geröteten Gesichter wurden vor Panik grau. Die Männer schienen überzeugt zu sein, es sei wieder wie damals in der Schlacht an der Narwa gewesen, in der der Zar mehr als die Hälfte seiner Truppen durch Tod, Verwundung oder Gefangennahme verloren hatte. Keiner glaubte der Versicherung des Kuriers, dass die russische Armee sich geordnet hätte zurückziehen können, und Stepan Raskin drückte aus, wovon die meisten überzeugt waren: »Damit steht der Weg nach Moskau für die Schweden offen! Und wenn die Hauptstadt fällt, kann sich auch Sankt Petersburg nicht mehr halten.«
    Er fluchte wüst und schleuderte sein noch volles Glas gegen die Wand. »Die Hölle über diese Schweden! Andauernd müssen die Kerle unsere Feste verderben.«
    Sergej wäre am liebsten vor Wut in Tränen ausgebrochen, rettete sich jedoch in wilden Trotz. »Carl von Schweden mag uns noch so oft besiegen, die letzte Schlacht aber werden wir gewinnen!«
    Er erntete etliche spöttische Blicke, doch keiner der Offiziere hatte Lust, ihm zu widersprechen, um nicht Apraxins Zorn auf sein Haupt zu laden. Die Drohung des Fürsten, jede defätistische Äußerung mit der Einkerkerung in der Peter-und-Paul-Festung zu bestrafen, klang jedem noch deutlich im Ohr.
    Unterdessen hatte Apraxin die Kuriertasche geöffnet und ihr die Briefe des Zaren entnommen. Nun wandte er sich mit einem bitteren Lächeln an seine Gäste. »Verzeiht, wenn ich euch jetzt

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