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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Väterchen Oleg Fjodorowitsch. Ihr hättet die Pistole in die Satteltasche stecken oder wenigstens in ein Tuch einwickeln sollen«, versuchte der Mann sich zu verteidigen.
    Kirilin zog ihm wortlos die Reitpeitsche über und drehte sich dann zu seinen Begleitern um. »Leute, jetzt gilt es! Die Schweden sind nur wenige Werst vor uns. Also vorwärts!« Er ritt an, ohne einen weiteren Blick auf die toten Kosaken zu werfen oder auf seinen Burschen zu warten, der mit einer blutenden Strieme im Gesicht in den Sattel stieg.
    Anders als die übrigen Mitverschworenen, die mit solchen Situationen gerechnet hatten, war Schirin von dem Mord an den Kosaken völlig überrascht worden. Gerade noch hatte sie überlegt, ob sie es riskieren sollte, sich der kleinen Truppe anzuschließen und zu den eigenen Leuten zurückzukehren, da waren die Männer auch schon tot, und es ging schneller denn je auf die Schweden zu. Nun war Eile geboten, denn seitlich hinter ihnen tauchten mehrere Kosakentrupps auf, die zusammen genug Männer zählten, um es mit Kirilins Leuten aufnehmen zu können. Sie spornten ihre Pferde an, erreichtenden Ort, an dem ihre Kameraden niedergeschossen worden waren, und folgten wild schreiend den Fliehenden.
    »Schneller!«, brüllte Kirilin und spornte seinen mächtigen Hengst noch einmal an. Das Tier streckte sich und legte ein Tempo vor, bei dem die übrigen Reiter nicht mehr mithalten konnten, und so zog sich die Gruppe der Deserteure mehr und mehr auseinander. Schischkin schrie Kirilin an, bei ihnen zu bleiben, aber der Hauptmann achtete nicht auf ihn, sondern war nur darauf erpicht, das schwedische Lager lebend zu erreichen. Auch wenn er dort allein ankam, konnte er sich immer noch als Abgesandter des Zarewitschs ausgeben und Aufnahme finden.
    Mit einem Mal klang der Hufschlag eines noch schnelleren Pferdes hinter ihm auf, und als er den Kopf drehte, sah er den verhassten Tatarenprinzen dicht hinter sich. »Ihr müsst langsamer reiten, Hauptmann! Die anderen kommen nicht mehr mit.«
    Kirilin verbiss sich die hässliche Antwort und deutete nach vorne. »Sie sollen durchhalten. Gleich haben wir die Schweden erreicht.«
    Er hatte nur verschleiern wollen, dass es ihm herzlich gleichgültig war, ob der Rest seiner Truppe den Kosaken zum Opfer fiel, solange er sich selbst in Sicherheit bringen konnte. Doch seine Worte schienen prophetisch gewesen zu sein, denn im nächsten Augenblick tauchten Reiter vor ihnen auf, deren blaugraue Röcke und gelbe Hosen sie als schwedische Dragoner auswiesen. Beim Anblick der auf sie zukommenden Russen stellten sie sich in einer langen Reihe auf und zogen ihre Karabiner. Kirilin erkannte voller Schrecken, dass die Schweden an einen Angriff glaubten, der von den Kosaken an ihren Flanken unterstützt wurde. Im vollen Galopp stellte er sich im Sattel auf und winkte verzweifelt mit dem rechten Arm.
    »Wir sind Freunde!«, brüllte er, so laut er konnte.
    Der schwedische Major schien ihn verstanden zu haben und die Situation richtig einzuschätzen, denn er hob die Hand und befahl seinen Männern zu warten.
    »Stoj!«, rief er Kirilin entgegen.
    Sein Akzent machte das Wort unverständlich, doch seine Geste war deutlich genug. Kirilins Leute zügelten ihre Pferde und starrten ängstlich auf die drohend vor ihnen erhobenen Karabiner. Einen Augenblick später begannen die Schweden zu feuern, aber sie zielten nicht auf die Deserteure, sondern auf deren Verfolger, die ihre langen Flinten hoben und einige Schüsse in die Richtung des Feindes abgaben, ohne jemanden zu treffen.
    Die Anführer der Kosaken erkannten schnell, dass sie den Schweden und den Verrätern hoffnungslos unterlegen waren, und riefen zum Rückzug. Als sie kurz darauf in der Deckung eines Wäldchens untertauchten, wandte sich der schwedische Major wieder an Kirilin. »Wer seid ihr, und was wollt ihr von uns?«
    Kirilin ritt mit leeren, zu einer Friedensgeste geöffneten Händen auf den Schweden zu und zwang seine zitternden Lippen zu einem Lächeln. »Mein Name lautet Oleg Fjodorowitsch Kirilin. Ich soll Seiner königlichen Majestät, Carl XII., eine Botschaft von treuen, russischen Patrioten überbringen, die ein Ende der Schreckensherrschaft des jetzigen Zaren herbeisehnen.« Damit waren seine Karten ausgespielt, und er wartete gespannt auf die Reaktion des schwedischen Offiziers.
    Einige Augenblicke sah es so aus, als glaube der Major Kirilin nicht und wolle schießen lassen, doch dann nickte er und befahl seinen Männern, die

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