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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Mitverschworenen Pawel Nikolajewitsch Gjorowzew. Dessen Truppen würden ausreichen, um in Absprache mit den Schweden das Land zu übernehmen. Bei dem Ruf, den General Gjorowzew mit seiner raschen Niederwerfung des Aufstands in Sibirien errungen hatte, würden die unterworfenen Völker diesseits und jenseits des Urals es sich zweimal überlegen, ob sie die Waffen gegen ihre russischen Oberherren erheben sollten, und auch die ewig aufmüpfigen Kosaken der Grenzregionen würden sich vor Dummheiten hüten.
    »Das wird ein Spaziergang«, sagte er mehr zu sich als zu seinem Freund Schischkin.
    Dieser spitzte die Ohren. »Was wird ein Spaziergang? Unser Ritt zu den Schweden?«
    Kirilin machte eine wegwerfende Handbewegung, die der andere in der Dunkelheit mehr erahnte als sah. »Ich meine die Übernahme der Macht in Russland, Ilja Pawlowitsch. Zwei Wochen nach dem Ende der Herrschaft Pjotr Alexejewitschs ist das Kernland in unserer Hand, einen Monat später das ganze Reich.«
    »Und du wirst Gouverneur von Astrachan mit Ilgur als Hofnarr!«, lachte Schischkin spöttisch auf.
    Kirilin, der bisher guter Laune gewesen war, schien auf einmal dieGeduld mit seinem schwatzhaften Untergebenen zu verlieren. »Sei doch endlich still! Oder willst du dich vor die Kerle hinstellen und ihnen ins Gesicht schreien, dass sie in diesem Spiel nur Bauern sind, die man dem größeren Ziel opfert?«
    Kirilin wurde ein wenig nervös. Das mochte wohl daran liegen, dass sich immer mehr Wolken vor den Vollmond schoben und die Dunkelheit die Flüchtlinge nun zwang, sich jeden Schritt zu ertasten. Auf diese Weise würden sie, wenn es hell wurde, noch etliche Werst von den Schweden entfernt sein und gerieten in Gefahr, von den eigenen Leuten entdeckt und aufgehalten zu werden.

II.
    Am Morgen bewahrheiteten sich Kirilins Befürchtungen, denn kurz vor Sonnenaufgang begegneten sie einem der Spähtrupps. Es handelte sich nur um zwanzig Mann, die in weite Kaftane und Pluderhosen gehüllt waren, ihre Mützen schief auf dem Kopf trugen und lange Flinten, die eher für den Kampf zu Fuß taugten, schussbereit in den Händen hielten. Zuerst blieben die Kosaken außer Reichweite der Karabiner, mit denen sie schon genug Erfahrung gemacht hatten, doch als das Licht der aufgehenden Sonne die Uniformen von Kirilins Reitern in sattem Grün aufleuchten ließ, stellten sich sie sich in den Steigbügeln auf und ritten winkend auf sie zu.
    Ihr Anführer, ein noch junger Mann mit einem gewaltigen Schnauzbart und rasiertem Kinn, verlegte Kirilin den Weg. »Halt, Brüderchen, hier geht es nicht weiter! Wir haben keine Stunde von hier schwedische Dragoner entdeckt. Denen wollt ihr doch gewiss nicht in die Arme laufen.« Der Kosak lehnte sich mit dem Ellbogen auf das Sattelhorn und grinste breit.
    Kirilins Gesicht wirkte angespannt. »Du sagst, die Schweden sind keine Stunde vor uns?«
    »Das sagte ich, und es sind mindestens drei Kompanien. Die suchen was zu futtern, aber da werden sie hier in der Gegend Pech haben. Väterchen Pjotr Alexejewitsch hat schon dafür sorgen lassen, dass kein Körnchen Gerste oder Hafer für diese ketzerischen Heiden übrig geblieben ist.«
    Die Kosaken wirkten ganz entspannt, als ritten sie zu ihrem Vergnügen über das Land, aber ihre Mienen drückten die Erwartung aus, dass Kirilin und seine Leute mit ihnen zu den eigenen Linien zurückreiten würden. Der Gardehauptmann, der seinen jetzigen Rock nur zur Tarnung trug, war jedoch schon zu weit gegangen,um sich von ein paar Kosaken aufhalten zu lassen. Er gab Schischkin und den anderen Männern, die hinter ihm angehalten hatte, einen versteckten Wink und griff nach dem Kolben seiner Waffe.
    »Dann werden wir wohl umdrehen müssen«, sagte er, um den Kosakenanführer einzulullen. Gleichzeitig zog er seine Pistole, legte an und zog durch. Es zischte ein wenig, doch die Waffe versagte. Im nächsten Moment gaben seine eigenen Leute Feuer. Die Kosaken sanken von den Pferden, ohne überhaupt zu begreifen, was ihnen geschah. Nur ihr Anführer hatte noch seine Flinte hochschwingen können, bevor Schischkins Kugel ihn fällte. Kirilin blickte auf den jungen Mann herab, musterte dann seine Pistole und schleuderte sie mit einem Fluch zu Boden.
    »Verdammt, beinahe hätte dieser Hund mich erwischt!« Sein Blick suchte seinen Burschen Faddej, der für das Laden der Waffe verantwortlich gewesen war und nun zitternd aus dem Sattel stieg, um die Waffe aufzuheben. »Das Pulver ist in der Nacht feucht geworden,

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