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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Steuerpächter zu fürchten haben.
    Mehr als einmal zuckte es ihr in den Fingern, trotz Kirilins Drohung Goldfell herumzureißen und zu versuchen, in der Dunkelheit zu entkommen, aber sie zügelte diesen Wunsch. Ihr Hengst war zwar schneller als die anderen Pferde, doch sein Fell spiegelte das Mondlicht, und die Kugeln der Karabiner würden ihn als Ersten treffen. Was mit ihr geschehen würde, wenn sie die Schüsse überlebte, darüber wollte sie gar nicht erst nachdenken. Daher blieb ihr nichts anderes übrig, als weiterzureiten und zu beten, dass dieser Albtraum irgendwann einmal ein Ende finden würde. Sergej und Kitzaq hatten ihr Fehlen gewiss schon bemerkt, und für einen Augenblick hoffte sie, ihre Freunde würden Kirilins Trupp folgen und sie aus der Klemme befreien, in die sie aus eigener Dummheit geraten war. Allmählich wurde ihr klar, dass Sergej und die anderen niemals auf den Gedanken kommen würden, sie könne sich den Verrätern hier angeschlossen haben, denn sie kannten ihre Abneigung gegen Kirilin und dessen Freunde.
    »Kitzaq hat Recht, ich bin nur ein dummes Weib!«, sagte sie zu sich selbst und zuckte beim Klang ihrer Stimme zusammen. Hastig sah sie sich um, aber zum Glück schien sie niemand gehört oder verstanden zu haben. In der Gesellschaft, in der sie sich nun befand, würde sie sich mehr denn je vor einer Entdeckung in Acht nehmen müssen. Wenn ihre Begleiter erfuhren, dass sie in Wirklichkeit ein Mädchen war, würden sie sie nacheinander missbrauchen und als zuckendes, blutendes Bündel zurücklassen. Vor den Schweden würde sie genauso auf der Hut sein müssen, denn was sie bei den Russen über dieses Volk erfahren hatte, ließ sie auch von jenen nichts Gutes erwarten. Lybeckerund seine Leute hatten sie zwar halbwegs anständig behandelt, wenn auch aus verständlichen Gründen gefangen gehalten, doch hatte sie bei ihnen auch als Verräter des Zaren gegolten. Sie wollte sich nicht vorstellen, was geschehen würde, wenn man sie als Frau erkannte.
    Während Schirin sich mit solchen Gedanken quälte, trieb Kirilin seinen Trupp zu äußerster Eile an. Mehr als allen anderen war ihm bewusst, wie gefährlich ihre Flucht war. Wenn der Zar oder einer seiner Offiziere auch nur den geringsten Verdacht schöpfte, würden man Kosaken hinter ihnen herschicken, um ihn und seine Begleiter am Überlaufen zu hindern. Aus diesem Grund bereitete es ihm Sorgen, dass Ilgur den Fähnrich aus Tarlows Regiment überredet hatte, mit ihnen zu kommen, auch wenn ein tatarischer Prinz in Stammestracht bei den Schweden mehr Eindruck schinden würde als der gesamte Rest der Sibirier in ihren schlichten russischen Uniformen.
    »Hoffentlich lohnt sich das Risiko!«, sagte er unvermittelt zu Schischkin.
    Der Leutnant, der in der letzten Stunde verstummt und müde im Sattel zusammengesunken war, blickte erstaunt auf. »Wie meinst du das, Oleg Fjodorowitsch?«
    Kirilin wies mit dem Daumen über seine Schulter. »Ich dachte an das Tatarenprinzlein. Ich hoffe, der Kerl ist den Aufwand wert, den Ilgur mit ihm treibt.«
    Schischkin drehte sich kurz um und warf Bahadur einen prüfenden Blick zu. Selbst in dem spärlichen Mondlicht war zu erkennen, dass der Tatar elegant und hochmütig im Sattel saß, und er empfand Neid auf den Kerl, der sich offensichtlich immer noch etwas darauf einbildete, der verwöhnte Sohn eines Steppenkhans gewesen zu sein, denn das Pferd und der Säbel dieses Wilden waren mehr wert als alles, was er als Sohn eines nachrangigen Bojaren je sein Eigen hatte nennen können.
    »Keine Sorge, Oleg Fjodorowitsch, der kleine asiatische Köter wird uns gewiss von Nutzen sein. Vielleicht sogar mehr, als dieser verdammteIlgur es sich vorstellen kann. Die Steppenratte bildet sich doch tatsächlich ein, die Schweden würden ausgerechnet ihn zum Khan von Kasan machen oder wenigstens von Astrachan.« Er lachte hämisch auf, denn er wusste, dass die Versprechungen, die Kirilin den Sibiriern gegeben hatte, nur wohlfeile Worte gewesen waren. Asiaten waren Barbaren, derer man sich bediente, wenn es einen Vorteil brachte, um sie danach wieder auf den Platz zu verweisen, auf den sie gehörten.
    Kirilin fiel kurz in Schischkins Lachen ein, widmete sich dann aber wieder seinen eigenen Plänen. Wenn der Schwedenkönig das von den Generälen Scheremetjew, Repnin und Menschikow geführte Heer des Zaren erst besiegt und zerschlagen hatte, gab es in ganz Russland nur noch eine einzige intakte Armee, nämlich die seines

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