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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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jetzt einen Trinkspruch auf unsere glorreiche Armee und ihren Sieg über die Schweden!«
    »Auf unsere glorreiche Armee und die Niederlage der Schweden!«, rief Sergej voller Inbrunst. Er hatte das Glas kaum geleert, da wurde es bereits ein weiteres Mal gefüllt.
    »Nun auf Mütterchen Jekaterina, die unseren erhabenen Zaren liebt und verehrt!« Menschikow brauchte nicht länger, einen neuen Trinkspruch zu erfinden, als das Glas zu füllen.
    Sergej trank wacker, denn er spürte, dass jede Weigerung als Schuldgeständnis angesehen werden würde. Schon bald fühlte sein Magen sich an, als hätte ein böser Geist ein Höllenfeuer darin entfacht, sein Kopf schwirrte, und er war kaum mehr in der Lage, gerade zu stehen. Zwei Gläser weiter schwankte er schon ganz bedenklich und kippte dem Zaren beinahe vor die Füße. Auf einen Wink Menschikows fassten zwei Soldaten Sergej unter den Armen und setzten ihn auf einen Schemel. Doch auch da geriet er sofort aus dem Gleichgewicht, so dass die Soldaten ihn festhalten mussten.
    Als Sergej nach Menschikows Meinung betrunken genug war, begann er ihm jene Fragen zu stellen, deren Antwort ihm schon eine Weile auf der Seele lag. Einige davon begriff der junge Hauptmann nicht, aber Menschikow formulierte sie immer wieder neu. Sergejs Zunge wurde schwerer und schwerer, und zuletzt lallte er nur noch, dem Fürsten aber war es gelungen, vieles von dem, was er wissen wollte, aus ihm herauszuholen. Schließlich befahl er den Wachen, Sergej fortzutragen, und wandte sich dann an den Zaren.
    »Der Bursche ist tatsächlich unschuldig. Er wusste weder über Kirilins Flucht zu den Schweden noch über diesen Verrat Bescheid.«
    »Er kannte einige Verräter und hätte ihre Namen nennen müssen«, antwortete der Zar unversöhnlich.
    Menschikow schenkte zwei Gläser voll und reichte eines dem Zaren. »Väterchen, du hast doch selber gehört, dass er sie für Narren gehalten und nicht ernst genommen hat. Da Tarlow sich in Sibirienals tatkräftiger Offizier erwiesen hatte, versuchten sie ihn zunächst für sich zu gewinnen, gaben dieses Vorhaben jedoch rasch auf, als sie merkten, dass er dir treu ergeben ist.« Während Menschikow es in der Öffentlichkeit nie am nötigen Respekt für seinen gekrönten Freund fehlen ließ, sprachen die beiden Männer jetzt, wo sie unter sich waren, so frei und offen miteinander wie in ihrer Jugendzeit.
    Pjotr Alexejewitsch packte sein Glas, als wolle er es erwürgen, und trank es in einem Zug leer. »Treu ergeben, sagst du? Deiner Ansicht nach soll ich diesen Kerl wohl noch für seine Dummheit belohnen?«
    »Wenn du Treue und Vertrauen zu dir Dummheit nennst, dann bestrafe den armen Burschen. Er hat sich nichts anderes zuschulden kommen lassen, als aus einer gewissen Kameradschaft heraus einige Namen nicht zu nennen, weil er Angst hatte, du würdest die Männer wegen ein paar unbedachter Worte streng bestrafen lassen.« Menschikow stürzte jetzt ebenfalls seinen Wodka hinunter und lachte leise vor sich hin. »Wie dieser Tarlow Lybecker an der Nase herumgeführt hat, das muss ihm erst mal einer nachmachen. Kommt der Schwede mit fast dreißigtausend Mann, und anstatt Sankt Petersburg in Schutt und Asche zu legen, wie er es mit Leichtigkeit hätte tun können, schleicht er darum herum wie ein Kater um den heißen Brei. Nur schade, dass der Tatar desertiert ist. Der Kerl wäre ein prächtiger Offizier geworden.«
    Die Erwähnung Sankt Petersburgs und dessen Rettung vor Lybeckers Truppen besänftigte den Zorn des Zaren ein wenig. Er begann dröhnend zu lachen, forderte Menschikow auf, ihm nachzuschenken, und kam dann wieder auf Sergej zu sprechen. »Was soll ich deiner Meinung nach mit diesem Lümmel anfangen? So wie du dich anhörst, Brüderchen, soll ich ihn wohl noch befördern.«
    »Wenn du willst, Petruschka, kannst du ihn aufhängen oder einkerkern lassen. Aber wenn wir diesen verdammten Krieg gewinnen wollen, brauchen wir jeden Tarlow, den wir kriegen können. Unterstelle ihn und seine Steppenratten meinem Kommando, und duwirst sehen, zu was er fähig ist. Seinen Major hätte er ja bereits wegen der Sache mit Lybecker verdient. Nun aber muss er beweisen, dass er diesen Rang auch wert ist.« Menschikow stieß mit dem Zaren an und stürzte den scharfen Schnaps in einem Zug hinunter.
    Pjotr Alexejewitschs Wange zuckte wie so oft, wenn Ärger, Wut und Aufregung in ihm wühlten, und Menschikow befürchtete schon das Schlimmste für den jungen Hauptmann. Hätte es in seinem

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